Sündenzeit
Schätzen ab, die Sean über die Jahre gefunden hatte: ein Sextant aus dem achtzehnten Jahrhundert, der Anker eines schon lange nicht mehr existierenden Walfängers, eine Auswahl von alten amerikanischen Münzen und noch vieles mehr. Marni hielt kurz in ihrer Arbeit inne und drehte sich lächelnd zu ihnen herum. Wieder fand Zach, dass ihre Freundlichkeit aufgesetzt wirkte.
„Oh, hallo“, sagte sie. Sie kam herüber, gab Zach einen Kuss auf die Wange und nickte Caer zu.
„Zach“, sagte Cal erfreut, „Miss Cavannaugh.“ Seine Freude, sie zu sehen, schien dagegen ehrlich.
Zach vermutete, dass die Reaktion der Johnsons auf Caer typisch war – typisch in Bezug auf die Geschlechter. Sie war so umwerfend, dass ein Mann schon halb tot oder schwul sein musste, um nicht auf sie aufmerksam zu werden. Marni dagegen, wie die meisten Frauen, fühlte sich womöglich durch Caers Attraktivität und die Reaktion ihres Ehemannes auf sie bedroht. Marni sah selbst sehr gut aus. Aber sie war in den Dreißigern und befürchtete vielleicht, dass ihre Jugend und Schönheit am Verblassen wären. Auf Kat reagierte sie nicht so, allerdings kannte sie Kat bereits viel länger. Außerdem war Kat mehr an ihrer Musik als an allem anderen interessiert, dazu gehörten auch das äußere Erscheinungsbild ihres Gegenübers und ihr eigenes.
Im Moment interessierte sie sowieso nur die Sicherheit ihres Vaters.
Und Amanda.
„Geht es Sean gut?“, erkundigte Marni sich.
„Sehr gut“, versicherte Caer ihr.
„Und jetzt, wo er wohlbehalten zu Hause ist, erkunden Sie Amerika?“
„Ich bin bis zum Ende des Jahres engagiert worden.“
„Aber Sie sehen sich doch ein wenig unsere Stadt an, nicht?“, fragte Marni lächelnd, doch in ihrem Tonfall steckte eine gewisse Schärfe.
„Kat wollte ein bisschen mit ihrem Vater allein sein“, mischte Zach sich ein.
„Wie man in diesem Haus voller Hexen allein sein kann, ist die Frage“, murmelte Marni vor sich hin. Doch es war laut genug, dass die anderen es verstanden.
Danach hatte sie niemand gefragt. Die Stille zog sich unangenehm in die Länge. Jeder suchte nach einem unverfänglichen Thema, um die Stimmung zu lockern.
„Marni“, sagte Cal betreten und brach endlich das Schweigen. „Das war unnötig.“
„Tut mir leid“, sagte Marni und wirkte ehrlich zerknirscht. „Ich fürchte, ich bin nicht gerade sehr höflich, was, Miss Cavannaugh? Wir haben harte sechs Monate hinter uns, seit Sean und Amanda geheiratet haben. Kat ist so unglücklich deshalb. Und Amanda missfällt es, wenn Kat in die Stadt zurückkommt. Armer Sean, ich weiß gar nicht, wie er das aushält.“
Cal stand auf und legte seiner Frau liebevoll den Arm um die Schulter. „Marni hält große Stücke auf Sean, und wir sind beide nicht glücklich darüber, ihn so zu sehen.“
„Ganz zu schweigen davon, dass Kat meint, Amanda hätte ihren Vater irgendwie vergiftet“, sagte Marni.
„Kat macht sich wirklich Sorgen um ihren Vater“, bemerkte Zach unverbindlich.
„Und seien wir doch ehrlich – wir befürchten alle das Schlimmste in Bezug auf Eddie“, sagte Cal leise.
„Cal, was ist genau an dem Tag abgelaufen?“, wollte Zach von ihm wissen. „Warst du mit einem anderen Boot draußen? Und was ist mit dir, Marni? Du bist doch sehr oft hier im Büro, oder nicht?“
„Natürlich bin ich oft im Büro“, entgegnete sie leicht pikiert. „Ich arbeite sehr viel. Wir wissen ja alle, dass Cal noch nicht so lange dabei ist. Deshalb bemühen wir uns beide nach Kräften, unseren Anteil einzubringen.“
„Marni, ich will niemandem irgendetwas vorwerfen. Ich versuche nur herauszufinden, wo ihr wart, als Eddie diesen Auftrag angenommen hat und rausgefahren ist.“
„Ach“, sagte sie. Dann noch einmal: „Ach so.“ Als wäre ihr klar, dass sie überreagiert hatte und sie sich ein bisschen dumm fühlte. „Das war der Tag, als Sean und Amanda nach Irland flogen. Ich wollte Sean ein Paar Strümpfe für die Reise besorgen. Diese Spezialstrümpfe gegen Thrombose wegen des langen Flugs. Ansonsten haben wir für diesen Tag extra keine Buchungen angenommen.“
„Und so hätte es auch bleiben sollen“, warf Cal düster ein.
Marni schüttelte den Kopf. „Wenn wenigstens einer von uns hier gewesen wäre“, sagte sie.
„Fang nicht wieder damit an, Marni. Wenn Eddie nur nicht kurzfristig diese Reservierung angenommen hätte. Wenn es nur ein Unwetter gegeben hätte, sodass es keinem möglich gewesen wäre, rauszufahren. Das
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