Sündenzeit
erzählen.“ Er nahm ihr die Karte aus der Hand. „Darf ich für Sie bestellen? Ich will nicht den Macho spielen, sondern nur garantieren, dass Sie eine richtig leckere amerikanische Mahlzeit bekommen.“
„Ja, bitte. Unbedingt.“
Die Serviererin kam mit ihren Getränken zurück. Sie hatten beide ein dunkles Saisonbier einer lokalen Brauerei bestellt. Caer kostete das Getränk und liebte den Geschmack. Zach bestellte das Essen.
Er wählte für sie beide gefüllten Truthahn mit Preiselbeersoße und Kartoffelpüree, dazu grüne Bohnen. Für die Vorspeise bestellte er Mini-Hotdogs mit Senf und Ketchup.
„Alles so amerikanisch wie gedeckter Apfelkuchen – was wir zum Dessert haben werden“, sagte er. „Und nun Sie.“
Caer nahm einen weiteren Schluck von ihrem Bier und lächelte. „Sie sind ja sehr beharrlich.“
„Muss ich auch sein. Sonst kann man keine Geheimnisse lüften. Und die Iren können aus jeder Geschichte ein Drama machen, wie ich erfahren habe.“
Sie lachte. „Tatsächlich? Na gut. Also mein Vater gehörte zum Feenvolk, und meine Mutter war eine … Banshee. Sie lebten in den Giant Stones in der Nähe von Tara. Ich habe eine Schwester, die der Familie Schande brachte, weil sie sich mit einem Kobold davongemacht hat.“
„Wie wäre es mit der Wahrheit?“
Sie sah ihn an, bemerkte seinen eigenartigen Tonfall und stellte ihr Glas ab. „Mein Vater wurde in einem Kampf getötet, als ich fünfzehn war. Kurz darauf starb meine Mutter. Sie war schwer krank. Meine Geschwister sind irgendwo in Irland verstreut. Mein jüngerer Bruder wurde adoptiert und nach Australien gebracht. Ich hatte wenigstens das Glück, eine gute Ausbildung zu erhalten, und der Job füllt mich aus.“
„Klingt, als hätten Sie eine schwere Jugend gehabt“, sagte Zach. Aber er wollte sich nicht dafür entschuldigen, das Thema aufgebracht zu haben. Auch wenn es traurige Erinnerungen waren, sie gehörten eben zum Leben.
„Aber Sie haben einen netten Freundeskreis“, sagte er.
„Wie bitte?“
„Zum Beispiel Mary und ihre Familie. Das waren sympathische Leute. Ich habe den Besuch im Pub wirklich genossen – ‚Irish Eyes‘. Und sie scheinen sehr viel von Ihnen zu halten.“
„Ach so, ja.“
Wieder betrachtete er sie auf merkwürdige Art. Sie begegnete seinem Blick und fragte sich, woran er nur dachte.
Sie wäre fast zusammengezuckt, als er über den Tisch langte und vorsichtig nach ihrer Hand griff und mit den Fingern darüberstrich. Es war keine Anmache, aber für sie fühlte sich diese Geste so erotisch an wie nichts, was sie vorher erlebt hatte.
„Was hat es nur mit Ihnen auf sich?“, fragte er mit leicht heiserer Stimme.
„Ich … ich weiß nicht, was Sie meinen.“
Er lachte, und es klang tief und voll und ebenso erotisch, wie das Streicheln ihrer Hand sich anfühlte.
„Ich komme nicht dahinter, was Sie tatsächlich antreibt. Aber je mehr Zeit verstreicht, desto weniger stört es mich. Wenn ich Sie ansehe, vertraue ich Ihnen, obwohl das gegen alle meine Erfahrungen geht. Sie sprechen, und ich bin fast hypnotisiert von dem Klang Ihrer Stimme.“
Caer wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie saß bewegungslos da, und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie befürchtete, dass sie nur ein Krächzen hervorbrächte, wenn sie zu sprechen versuchte.
Der Salat wurde zusammen mit den Mini-Hotdogs aufgetragen. Dazu kleine zierliche Schälchen mit Senf und Ketchup. Zach zog seine Hand zurück. Caer richtete sich in ihrem Stuhl gerade auf und dankte der Kellnerin. Die lächelte freundlich und wünschte ihnen einen guten Appetit, bevor sie wieder ging.
Caer kostete ihren Hotdog und fand ihn köstlich.
„Es wird ein amerikanischer Festschmaus für Sie“, versprach er.
Sie kaute genießerisch und nahm sich Zeit. Zach schien zufrieden.
„Meine Geschichte gefällt Ihnen, weil sie Ihrer ähnlich ist“, sagte sie schließlich.
„Mir gefällt nichts, das traurig ist“, entgegnete er. „Niemandem ist zu wünschen, dass er seine Eltern in so jungen Jahren verliert. Das ist genauso unnatürlich wie Eltern, die ihr Kind verlieren. Aber auch das passiert. Alles in allem habe ich ziemlich entsetzliche Dinge gesehen. Ich bin froh, dass Sie Ihr Leben so meistern und zufrieden sind und gute Freunde haben.“
„Was wäre denn, wenn ich tatsächlich das Kind eines Elfs und einer Banshee wäre?“
„Sind Sie’s?“
„Nein.“
„Und?“
„Es gibt merkwürdige Dinge auf dieser Welt, die aber trotzdem
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