Sündige Rache
seinen Mund zu einem, wenn auch schmalen, Lächeln. »Das ist wirklich gut gekontert.« Er nickte anerkennend.
»Er kann mir nicht wehtun.« Sie glitt vom Sofa auf die Knie, umfasste seine Schultern und blickte ihm ins Gesicht. »Außer, wenn du ihm die Möglichkeit dazu gibst. Durch dich kann er mir wehtun. Lass das bitte nicht geschehen. Geh bitte nicht auf dieses kranke Spielchen ein.«
»Hast du etwa die Befürchtung, ich würde nicht gewinnen?«
Sie setzte sich auf ihre Fersen. »Ich weiß, dass du gewinnen würdest. Und genau das macht mir Angst. Der Preis, den wir beide dafür zahlen müssten, wäre eindeutig zu hoch. Geh nicht auf ihn ein, Roarke. Überlass Max Ricker weiter mir.«
Ein paar Sekunden schaute er sie schweigend an. »Wenn er dich noch einmal anrührt, wenn er dir auch nur ein Haar krümmt, ist er ein toter Mann. Nein, sag nichts«, bat er, als sie etwas erwidern wollte. »Dir zu Gefallen halte ich mich vorläufig noch zurück. Aber falls er die von mir gezogene Grenze überschreitet, ist für mich das Abwarten vorbei. Ich werde einen Weg finden und mir die Zeit nehmen, und dann ist es vorbei.«
»Das brauchst du nicht für mich zu tun.«
»Meine geliebte Eve.« Jetzt strich er sanft mit einer Fingerspitze über ihr Gesicht. »Ich tue es für mich. Du kennst ihn nicht. Auch wenn du bei ihm warst und dich mit ihm beschäftigt hast, weißt du nicht wirklich, wer er ist. Ich aber weiß es genau.«
Manchmal musste man sich mit dem zufrieden geben, was man gerade bekommen konnte, und so meinte sie: »Du hältst dich von ihm fern.«
»Zurzeit ja. Und dabei solltest du es belassen, denn das kostet mich bereits sehr viel.«
Als er sich erhob und sie mit einem kühlen Blick bedachte, unterdrückte sie mit Mühe einen Fluch. »Du bist immer noch sauer auf mich.«
»Oh, ja. Das bin ich.«
»Was willst du?« Am Ende ihrer Weisheit, rappelte sie sich hoch und wünschte sich, sie hätte nicht das beinahe übermächtige Verlangen, ihm sein attraktives Gesicht mit einem Fausthieb zu verbeulen. Etwas anderes fiel ihr leider nicht ein. »Ich habe mich entschuldigt.«
»Dir ist es doch lediglich peinlich, dass ich dir auf die Schliche gekommen bin.«
»Okay, meinetwegen. Du hast Recht.« Wütend trat sie gegen die Couch. »Ich habe keine Ahnung, wie man solche Dinge macht. Ich liebe dich, und das macht mich verrückt. Ist das nicht bereits schlimm genug?«
Jetzt musste er lachen. Sie wirkte so wunderbar zerknirscht. »Himmel, Eve, du kannst manchmal wirklich anstrengend sein.«
»Zumindest solltest du mir zugute halten, dass … verdammt«, zischte sie, als mit einem Mal ihr Handy piepste, und hätte es am liebsten einfach gegen die Wand gedonnert. Stattdessen trat sie noch mal gegen die Couch. »Dallas. Was ist?«
Hier ist die Zentrale, Lieutenant Eve Dallas. Wir haben einen Toten auf der George-Washington-Brücke, Richtung Osten, Level zwei. Das Opfer wurde vorläufig als Lieutenant Alan Mills vom Rauschgiftdezernat des hundertachtundzwanzigsten Reviers identifiziert. Da Ihnen die Leitung der Ermittlungen übertragen wurde, begeben Sie sich bitte umgehend dorthin.
»Oh Gott. Verdammt. Verstanden. Sagen Sie bitte auch Officer Delia Peabody Bescheid. Ich mache mich sofort auf den Weg.«
Sie plumpste schwer aufs Sofa und stützte ihren Kopf in eine Hand. »Ein zweiter Polizist. Ein zweiter toter Polizist.«
»Ich komme mit«, erklärte Roarke und fügte, als sie ihn kopfschüttelnd ansah, in entschlossenem Ton hinzu: »Wenn nötig, fahre ich allein. Zieh dich an, dann nehme ich dich mit. Wenn wir meinen Wagen nehmen, bist du schneller dort.«
Wie ein heller Lichterbogen spannte sich die Brücke über den dunklen Fluss. Aufgrund des dichten Luftverkehrs, der auch des Nachts kaum nachließ, nahm man das fahle Licht der Mondsichel am Nachthimmel kaum wahr.
Das Leben ging pulsierend weiter, egal was geschehen war.
Auf dem zweiten Brückenlevel, der für den Verkehr gesperrt war, drängten sich wie eine Meute Hunde vor Beginn der Jagd ein gutes Dutzend Einsatzwagen der New Yorker Polizei. Auf dem Weg vorbei an den Kollegen drangen Telefongespräche, leises Murmeln sowie laute Flüche an Eves Ohr.
Wechselweise wurde ihr Gesicht in das Licht kalter blauer, frostig weißer oder blutroter Lampen eingetaucht. Stumm trat sie an das schmutzig beigefarbene Fahrzeug, das auf der Standspur stand.
Auf dem Beifahrersitz saß Mills. Seine Augen waren geschlossen, und sein Kinn ruhte auf seiner breiten Brust.
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