Sündige Seide: Roman (German Edition)
ihren Ohren. Die berühmten Armreifen glänzten an ihren schlanken Handgelenken. Yasmine sah unbeschreiblich schön aus, und Claire sagte ihr das.
»Danke. Ich möchte heute nacht schön aussehen.«
»Du siehst selbst an deinen schlechtesten Tagen schön aus.« Spontan umarmte Claire sie.
Yasmine erwiderte die Umarmung. »Danke für alles, Claire.«
»Du brauchst mir nicht zu danken. Du hast in letzter Zeit viel durchgemacht.«
»Aber du hast zu mir gehalten, obwohl jeder andere mich aufgegeben hätte.«
»Das würde ich nie tun. Darauf kannst du dich verlassen.« Sie drückte sie noch fester. »Paß auf dich auf.«
»Du kennst mich doch, Süße.« Yasmine löste die Umarmung, zwinkerte und schnalzte mit der Zunge. »Immer obenauf.«
Claire lachte. Das war die alte, schlagfertige Yasmine. Sie fragte sich unwillkürlich, ob Alister Petrie angerufen hatte und sich mit ihr versöhnen wollte. Das würde erklären, warum sie sich heute nacht soviel Mühe mit ihrem Aussehen gegeben hatte.
»Wann kommst du heim?«
»Warte nicht auf mich. Tschüß. Ich schalte die Alarmanlage ein.«
»Danke. Tschüß.«
Claire wartete, bis sie das Lager durchquert hatte. An der Tür drehte sich Yasmine noch einmal um und winkte ihr fröhlich
zu. Selbst über diese Entfernung hörte Claire ihre Armreifen klingeln.
Oben sah Claire nach Mary Catherine, die friedlich schlief. Als sie die Schlafzimmertür zuzog, blieb sie wie angewurzelt stehen – es roch nach Rauch.
Als sie das alte Gebäude hatte renovieren lassen, hatte sie für teures Geld eine hochmoderne Sprinkleranlage und Rauchdetektoren einbauen lassen; sie wußte, daß ein Brand einen hohen Preis fordern würde, nicht nur an Waren, sondern wahrscheinlich auch an Menschenleben. Aber trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen hatte sie panische Angst vor einem Feuer.
Sie folgte dem Rauchgeruch bis zu Yasmines Zimmer. In letzter Zeit hatte sie es nicht betreten, aber vor ihrer Affäre mit Alister hatte Yasmine ihre Tür nur selten verriegelt. Claire hatte keine Skrupel, in ihr Zimmer zu gehen und nachzusehen, woher der Rauch kam. Was sie hinter der Türschwelle erwartete, war ein Schock für ihre Sinnesorgane und ihre Nerven. Automatisch schlug sie sich die Hand über Nase und Mund, dann ging sie langsam auf den provisorischen Altar zu, der früher ein ganz gewöhnliches Nachtkästchen gewesen war.
Qualmende, blakende Kerzen waren im Kreis darum aufgebaut und warfen wabernde Schatten auf die Wände. Unidentifizierbare Kräuter und Öle waren auf der Oberfläche des Tisches verteilt. Zum Teil waren sie die Ursache für den entsetzlichen Gestank im Raum. Aber nur zum Teil.
In der Mitte des Altars stand eine unförmige Steingutschale. Sie war mit etwas gefüllt, das wie die Innereien eines kleinen Tieres aussah. Irgendwann mochten die einzelnen Organe noch erkennbar gewesen sein. Jetzt waren sie zu einem schleimig-blutigen Brei verrührt. Der Gestank ließ Claire hinter vorgehaltener Hand würgen.
Blut war sorgfältig in symbolischen Mustern auf den Tisch geträufelt worden. Die kleine Alister-Petrie-Figur, jene Puppe, die Yasmine ihr gezeigt hatte, war enthauptet und entmannt worden. Wie ein durchs Herz getriebener Pfahl ragte eine widerwärtig aussehende Nadel aus ihrer Brust.
»Mein Gott«, stöhnte Claire und wich zurück. »O mein Gott, Yasmine. Nein!«
Sowie Harry auf ihren verzweifelten Anruf hin eingetroffen war, rannte Claire zu ihrem Wagen und fuhr in das elegante Viertel am Ufer des Pontchartrain-Sees, wo der Kongreßabgeordnete Alister Petrie mit Frau und Kindern lebte. Sie hoffte, daß sie nicht zu spät kam.
»Soll ich warten?« Der Taxifahrer legte einen Arm über die Rückenlehne und starrte die atemberaubende Frau auf dem Rücksitz an.
»Nein danke.« Yasmine reichte ihm einen Zwanzigdollarschein.
»Der Rest ist für Sie.«
»Danke, Miss. Sagen Sie, kenn’ ich Sie nicht? Ich meine, sollte ich Sie nicht kennen? Sie sind doch berühmt, oder?«
»Ich war Mannequin. Vielleicht haben Sie mein Bild in einer Zeitschrift gesehen.«
Er schlug sich mit dem Handballen auf die Stirn. »Jesus! Ich hab’s mir doch gedacht.« Er grinste unter der schwachen Innenbeleuchtung seines Wagens und entblößte dabei krumme, tabakfleckige Zähne. »Wer hätte gedacht, daß Sie mal in meinem Taxi fahren würden? Vor Ihnen hatte ich nur ein einziges Mal jemand Prominenten, so ’ne Kochdame aus dem Fernsehen. Julia irgendwas. Hören Sie, ich hol’ Sie gern nachher wieder ab.
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