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Sündige Seide: Roman (German Edition)

Sündige Seide: Roman (German Edition)

Titel: Sündige Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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der schönste Platz im Haus. Später bringe ich dich nach oben.«
    »Gibt es hier ein Telefon?«
    »Wir haben es abgemeldet, als wir ausgezogen sind.«
    »Ich werde mein Autotelefon benutzen müssen.«
    »Jetzt gleich?« fragte sie enttäuscht.
    »Nicht gleich, aber bald, Claire.«
    »Ich verstehe.«
    Er folgte ihr durch ein vornehmes Eßzimmer und eine verwinkelte Küche in das Sonnenzimmer, wie sie es nannte. Es hatte auf drei Seiten Fenster und war mit weißen Rattanmöbeln eingerichtet, deren gemütlich wirkende blumengemusterte Chintzpolster in der Mitte durchgesessen waren. Vom Sonnenzimmer gelangte man in den Hof. Claire entriegelte die Terrassentür, stieß sie auf und trat auf das brüchige Ziegelpflaster hinaus.
    »Da drüben, hinter der doppelten Glastür, ist das Wohnzimmer. Oder der Salon, wie Tante Laurel sagte. Darüber, im ersten Stock, war mein Zimmer. Manchmal im Sommer, wenn es nicht so viele Mücken gab, erlaubten mir Mama und Tante Laurel, draußen auf dem Balkon zu schlafen. Ich habe es geliebt, beim Einschlafen den Brunnen plätschern zu hören. Und morgens roch ich frischen Kaffee und Geißblatt, bevor ich die Augen aufmachte.«
    Außer einer eifrigen Glyzinienranke und einem schnellen, verschreckten Chamäleon war nichts Lebendiges im Hof. Der Fuß
des Brunnens war rissig und bröckelte. Das Becken um den nackten Cherub war voller Regenwasser und totem Laub. Die alte Schaukel war eingerostet und quietschte, als Claire sie sachte anschob.
    »Überall hing damals Farn. Wenn die Farne Ableger bekamen, knipsten wir sie ab und ließen sie im Wasser Wurzeln treiben, ehe wir sie in Tontöpfe pflanzten. Jedes Frühjahr setzen wir winterharte Pflanzen in die Beete. Manchmal blühten sie bis in den Dezember. An milden Abenden aßen wir hier draußen. Bevor ich in die Schule kam, saß Mama immer in diesem Stuhl und erzählte mir Märchen.« Liebevoll fuhr sie mit der Hand über das rostige Schmiedeeisen.
    »Es macht mich traurig, all das so verwahrlost zu sehen. Als würde ich vor der Leiche eines geliebten Menschen stehen.« Sie ließ noch mal den Blick wehmütig über den Hof schweifen, dann trat sie zurück ins Sonnenzimmer. In der Küche öffnete sie eine Dose aus der Vorratskammer und stellte fest, daß immer noch Tee darin war. »Als ich das letzte Mal hier war, habe ich mir Tee gemacht. Möchtest du welchen?«
    Ohne seine Antwort abzuwarten, spülte sie den Kessel aus und schaltete den Herd ein. Sie wollte gerade Tassen aus dem Schrank nehmen, als Cassidy ihre geschäftigen Hände einfing und Claire zu sich herumdrehte.
    Ihr war klar gewesen, daß dieser Augenblick kommen mußte. Sie hatte gewußt, daß Cassidy sie irgendwann fragen würde und daß sie ihm dann alles erzählen mußte. Sie hatte diesen Moment so lange wie möglich hinausgezögert; jetzt war es soweit.
    »Claire«, frage er leise, »warum hast du Jackson Wilde umgebracht?«
    Seine Augen blickten durchdringend in ihre. Die Zeit war gekommen.
    »Jackson Wilde war mein Vater.«

Kapitel 29
    Frühling 1958.
    Es war heiß im Vieux Carré, obwohl der Mai erst ein paar Tage zählte. Die Blüten waren in solcher Fülle aufgesprungen, daß die Luft wie Parfüm duftete. Die jungen Blätter leuchteten grün. Der Frühling hatte auch die drei Schulmädchen erwischt und erfüllte sie mit einer Lebenslust, die mit Englisch, Geometrie, Französisch oder Chemie nicht zu stillen war.
    Um etwas von ihrer überschäumenden Energie abzulassen, hatten sie die Schule geschwänzt und sich auf die Suche nach den verbotenen Vergnügungen gemacht, die im französischen Viertel zu finden waren. Sie schmausten Lucky Dogs, die sie von einem Straßenhändler kauften, und ließen sich mitten auf der Straße von einer Zigeunerin mit einem Papagei auf der Schulter aus der Hand lesen.
    Alice ließ sich von Lisbet herausfordern und wagte einen Blick in eine der schummrigen Bars an der Bourbon Street, deren Türsteher die Tür, um sie zu necken, extra weit aufschwingen ließ. Quiekend rannte sie zurück zu ihren Freundinnen. »Was hast du gesehen?«
    »Das glaubt ihr mir nie«, ereiferte sich Alice.
    »War sie nackt?«
    »Bis auf ein paar Troddeln. Die hat sie rumgewirbelt.«
    »Du lügst«, urteilte Lisbet.
    »Ehrlich.«
    »Das kann niemand. Das ist anatomisch unmöglich.«
    »Nur wenn man so kleine hat wie du«, widersprach Alice boshaft.
    Mary Catherine Laurent mischte sich diplomatisch ein. Sie spielte oft die Friedensstifterin, denn ihr war jeder Streit

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