Sündige Seide: Roman (German Edition)
Pornografin. Seiner Meinung nach hausiere ich mit ›Schmutz‹.«
»Was empfanden Sie dabei?«
»Was glauben Sie denn?« Plötzlich ließ sie der Erregung, die er hinter der ruhigen Fassade gespürt hatte, freien Lauf. Sie stand auf und ging um den Diwan, so daß er zwischen ihnen stand.
»Ich wette, das hat Ihnen gar nicht gefallen.«
»Da haben Sie völlig recht, Mr. Cassidy. Das hat es nicht. Der Ausdruck ›Schmutz‹ paßt weder auf mein Geschäft noch auf meinen Katalog.«
»Wußten Sie, daß Sie auf Wildes Hitliste standen?«
»Wovon reden Sie?«
Cassidy zog ein Blatt Papier aus der Tasche seines Sakkos, das immer noch über seinen Knien lag. Er schüttelte es auf und hielt es ihr hin, aber sie machte keine Anstalten, es entgegenzunehmen.
»Unter Wildes persönlichen Dingen«, sagte er, »fanden wir diese handgeschriebene Liste von Publikationen. Playboy, Hustler, lauter Männerhefte. Und mittendrin der Katalog von French Silk.«
Sie starrte das Papier einen Augenblick an und deutete dann wütend darauf. »Ich weiß nichts von dieser Liste. Mein Katalog hat mit diesen Zeitschriften nichts zu tun.«
»Wilde war da offenbar anderer Meinung.«
»Da hat er sich geirrt.«
»Miss Laurent, Ihr Unternehmen sollte verleumdet und unter Druck gesetzt werden. Man wollte Sie zur Geschäftsaufgabe zwingen. Laut dem Datum auf diesem Zettel hat das Wilde wenige Wochen vor seinem Tod geschworen und es mit seinem Blut unterschrieben.«
»Offensichtlich war er verrückt.«
»Er hatte Tausende von ergebenen Gefolgsleuten.«
»Das hatte Adolf Hitler auch. Manche Menschen sind wie Schafe. Man muß ihnen erklären, was sie glauben sollen, weil sie nicht selbst denken können. Wenn man ihnen nur oft genug sagt, was sie hören wollen, dann folgen sie jedem und glauben jede Lüge, die man ihnen vorsetzt. Sie lassen sich das Gehirn waschen. Mir tun diese Leute leid, aber es steht ihnen frei, ihre Wahl selbst zu treffen. Ich will nur die Freiheit, auch meine Wahl zu treffen. Das war das einzige Problem, das ich mit Jackson Wilde hatte. Er wollte jedem seinen Glauben aufzwingen. Wenn ihm mein Katalog nicht gefallen hat, na schön. Aber wer gab ihm das Recht, ihn zu verdammen?«
»Er hätte bestimmt gesagt, Gott.«
»Aber dafür haben wir bloß Wildes Wort, nicht wahr?«
Sie war angespannter als eine Gitarrensaite kurz vor dem Reißen. Ihr Busen wogte, daß die Flüssigkeit in der kleinen Phiole schwappte. In diesem Augenblick erfuhr Cassidy noch etwas über Claire Laurent. Unter dem kühlen, reservierten Äußeren schlug ein leidenschaftliches Herz.
Plötzlich merkte er, daß er stand, obwohl er sich nicht erinnern konnte, aufgestanden zu sein. »Sie hatten ein echtes Problem mit dem Fernsehpriester, nicht wahr, Miss Laurent?«
»Er hatte die Probleme, nicht ich.«
»Er hatte Sie zu seiner Feindin erklärt und geschworen, nicht von Ihnen abzulassen.«
»Das war sein Kreuzzug. Ich habe nicht daran teilgenommen.«
»Bestimmt?«
»Wie meinen Sie das?«
»Hatten Sie beide sich nicht den offenen Krieg erklärt?«
»Nein. Ich habe ihn ignoriert.«
»Wo waren Sie in der Nacht zum achten September?«
Sie fuhr auf. »Verzeihung?«
»Ich glaube, Sie haben mich verstanden.«
»In dieser Nacht wurde Wilde ermordet. Soll das heißen, daß Sie mich verdächtigen?«
»So in etwa.«
»Scheren Sie sich zur Hölle.«
Ihre barsche Antwort elektrisierte immer noch die Atmosphäre, als sich die Doppeltür hinter Cassidy öffnete. Er fuhr herum, halb darauf gefaßt, die stämmige Pförtnerin hereinstürmen zu sehen, die ihn gewaltsam nach draußen befördern sollte.
Die Frau, die hereinkam, sah zu zerbrechlich aus, um einem Schmetterling die Flügel abzuknicken. »Ach du meine Güte!« rief sie aus, als sie Cassidy sah. Sie legte sich die Hand flach auf die Brust und sagte: »Ich wußte gar nicht, daß wir Besuch haben. Claire, meine Liebe, du hättest mir sagen sollen, daß du heute nachmittag jemanden empfängst. Ich hätte mir etwas Passenderes angezogen.«
Claire richtete sich auf, ging zu der Frau und nahm ihren Arm. »Du siehst bezaubernd aus wie immer, Mama. Darf ich dir unseren Gast vorstellen?«
Während sie auf ihn zukamen, wünschte Cassidy bei Gott, er hätte die Situation unter Kontrolle. Er hatte die Kontrolle verloren, als ihn die Amazone unten hereingelassen hatte, und sie seither nicht wiedergefunden. Mit dem Auftauchen der Frau an Claires Seite war sie ihm endgültig entglitten.
»Mama, das ist Mr.
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