Sündige Seide: Roman (German Edition)
Haut, dann liebkosten sie das weiche Fleisch.
Sein Kuß wurde wilder, hungriger. Claire klammerte sich mit beiden Händen an seinem Hemd fest, denn wenn sie losgelassen hätte, wäre sie nach hinten gefallen, nicht nur, weil er sich so besitzergreifend über sie beugte, sondern auch, weil ihr von seinem Kuß und seiner Berührung schwindlig wurde.
Seine Lippen verschmolzen mit ihren, seine Zunge tauchte immer wieder in ihren Mund, als würde sie dort nach den Antworten suchen, die er forderte. Sie standen in Flammen, setzten sich gegenseitig in Brand. Ihre Brüste glühten unter seinen Händen, reckten sich ihm hungrig, gierig entgegen.
Die Intensität des Gefühls war beängstigend. Claires hemmungslose Reaktion erschreckte sie. Sie spürte, wie ihr die Kontrolle entglitt, so als würde trockener Zunder in Brand gesetzt. Bald wäre sie ihm ganz und gar ausgeliefert, und etwas Schlimmeres konnte sie sich nicht vorstellen. Ihr ganzes Leben hatten irgendwelche Beamten versucht ihr einzureden, was das Beste für sie war. Sie war darauf geschult, sich gegen sie zu wehren.
»Stopp!« Sie drehte den Kopf zur Seite und schubste seine Hände weg. »So kriegen Sie bestimmt kein Geständnis aus mir heraus.«
Er ließ sie augenblicklich los und trat zurück. Hilflos ballte er die Fäuste. Sein Atem ging schwer, seine Stimme klang heiser und gehetzt. »Sie wissen verdammt gut, daß ich Sie nicht deshalb geküßt habe.«
»Nein?« gab sie zornig zurück.
Er drehte sich um, ging zum Garderobenständer und zerrte
seinen Trenchcoat herunter und riß die Tür auf. Aus dem Gang strömte Licht herein und umfloß seine Silhouette.
Sekundenlang starrten sie einander im Halbdunkel an, dann trat er aus der Tür und knallte sie hinter sich zu.
Claire brach auf dem Sofa zusammen. Sie schlug die Hände vors Gesicht und jammerte so reuevoll, daß Schwester Anne Elizabeth stolz auf sie gewesen wäre: »O Gott, nein. Nein.«
Willig und voller Hingabe hatte sie den Mann geküßt, der sie lebenslänglich hinter Gitter bringen konnte und das wahrscheinlich auch tun würde.
Kapitel 10
Ariel wickelte ein Mini-Snickers aus und stopfte es sich in den Mund. Ihre Zähne knackten den Schokoladeüberzug, zermahlten die Erdnüsse, versanken in Karamel und Nougat. Sie schwelgte in dem Zusammenspiel verschiedener Aromen, als der Riegel langsam schmolz und ihr auf der Zunge zerging. Erst nachdem sie soviel Genuß wie möglich daraus gezogen hatte, lutschte sie das klebrige Karamel von den Zähnen.
Der Kaffeetisch vor dem Diwan war übersät mit Schokoladepapierchen. Als sie noch ein Kind gewesen war, hatte das Familienbudget keine Süßigkeiten erlaubt; Ariel hatte von Glück reden können, wenn sie alle paar Wochen ein Stück von einer Zuckerstange abbekam. In den letzten Jahren hatte sie das Versäumte nachgeholt; und sie konnte nicht genug bekommen.
Sie räkelte sich, nur um zu sehen, zu hören und zu spüren, wie der Seidenpyjama über ihre Beine raschelte. Der Spiegel an der Wand gegenüber zeigte eine Frau im Luxus, umgeben von schönen Dingen, die allesamt ihr gehörten. Das gefiel Ariel. Am liebsten hätte sie laut losgejubelt.
In ihrem Elternhaus hatte es fließend Wasser gegeben, aber darin hatte sich der Komfort auch schon erschöpft. Es war ein durch und durch häßliches Gebäude mit großen, spartanisch und billig eingerichteten Zimmern gewesen. Sie schauderte angewidert, wenn sie nur daran dachte. Nie hatte sie Freunde eingeladen, so hatte sie sich für das alte, windschiefe, häßliche Bauernhaus ihrer Eltern geschämt. Außerdem hatte sie sich für die Menschen geschämt, die darin wohnten. Ihr Bruder, dieser Satansbraten, hatte alle Welt terrorisiert. Ihre Eltern waren ihr
immer alt vorgekommen, auch wenn ihr inzwischen klar war, daß die harte Arbeit sie vorzeitig hatte altern lassen.
Sie wünschte, sie könnte ihre Erinnerungen an die Armut endgültig begraben. Aber jedesmal, wenn sie sich ganz im Einklang mit der Gegenwart fühlte, tauchten diese Bilder aus der Vergangenheit auf, um sie zu quälen. Sie riefen ihr ins Gedächtnis, wer sie gewesen war, bevor sie sich dem Reverend Jackson Wilde zu Füßen geworfen hatte.
Die Tage der Armut sind für immer vorbei, schwor sie und ließ ihren Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Kunstobjekte füllten jede Nische, jedes Bord. Die meisten stammten von Jacksons Gefolgsleuten. Er hatte immer wieder vorgeschlagen, einige der Dinge wegzugeben, aber Ariel hatte sich von keinem
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