Sündige Seide: Roman (German Edition)
Lügner. Ich traue dem System nicht, Cassidy.« Sie schüttelte seinen Blazer ab und stieß ihn ihm entgegen. »Danke für den Rat, aber ich werde mir keinen Anwalt nehmen.«
»Wie Sie wollen«, meinte er ungeduldig. »Aber damit machen Sie einen großen Fehler.«
»Wenigstens ist es mein Fehler.«
»Und bleiben Sie in der Stadt.«
»Übermorgen fahre ich nach Mississippi.« Das traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. »Wieso zum Teufel das denn?«
»Wir machen dort Aufnahmen für den Frühjahrskatalog.«
»Sagen Sie ab. Oder verschieben Sie es.«
»Kommt gar nicht in Frage. Der Termin steht seit Wochen fest. Die Leute sind bestellt. Yasmine kann die Sache nicht abblasen. Außerdem müssen wir die Aufnahmen vor dem Herbst machen, solange das Laub noch grün ist. In einer Herbstlandschaft kann man keine Fotos für einen Frühjahrskatalog machen.«
»Interessant, aber die Justiz nimmt keine Rücksicht auf Fototermine.«
»Und ich lasse meinen Terminkalender nicht von der Justiz bestimmen. Sie haben keine Wahl. Solange Sie mich nicht verhaften, müssen Sie mich fahren lassen.«
Ihm waren die Hände gebunden. Das wußte sie so gut wie er. Ohne einen Beweis, auf dem sich eine Anklage aufbauen ließ, konnte er sie ebensowenig verhaften wie Ariel und Josh Wilde.
Da sie sein Dilemma ahnte, lächelte sie. »Gute Nacht, Cassidy.«
»Verdammt, Ihnen macht das wohl Spaß, wie?« Seine Hand schoß vor, packte ihren Kiefer, die Finger bohrten sich in ihre Wangen. »Hören Sie zu.« Sein Gesicht war dicht vor ihrem. »Bis jetzt habe ich mich zurückgehalten. Ich habe Ihnen meine Zweifel zugute gehalten. Das wird sich ändern, haben wir uns verstanden?« Er kam noch näher, und seine Stimme wurde zu einem Knurren. »Gut, ich will mit Ihnen schlafen, aber lassen Sie sich nicht davon täuschen. Jackson Wildes Mörder zu kriegen und vor Gericht zu bringen, ist mir wichtiger als alles andere. Es wäre ein Fehler, das zu vergessen, Claire. Vielleicht betrachten Sie das hier als Spiel, aber in Zukunft werde ich mich an keine Regeln mehr halten.«
Sie befreite ihr Kinn aus seinem Griff und schubste ihn weg. »Danke für die Beignets und den Café au lait, Mr. Cassidy. Ich hätte selbst zahlen sollen.«
Sie schlüpfte durch die Tür und knallte sie ihm vor der Nase zu. Er fluchte laut, als er hörte, wie die Riegel vorgeschoben wurden.
Ungeduldig ließ Ariel die Zeitschrift fallen. Es war spät, und sie war nervös. Der Mann in New Orleans hatte versprochen, sie heute noch anzurufen, auch wenn es spät wurde. Inzwischen war es lange nach Mitternacht.
Unten spielte Josh schon seit Stunden Klavier. Diese gräßliche klassische Musik. Sie konnte einfach keine Melodie darin entdekken. Ein Stück klang wie das andere. Es gab nicht einmal Texte, wozu das Ganze also? Sie begriff einfach nicht, wie jemand so darin aufgehen konnte. Aber wenn Josh klassische Musik spielte, dann vergaß er alles andere – essen, schlafen, selbst Sex.
Nicht, daß ihr der Sex fehlte. Sie war mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Die Demonstration hatte in einem Fiasko geendet. Sie hatte gehofft, ihre Leute würden wie Kreuzritter auf einer göttlich inspirierten Mission wirken. Statt dessen hatte diese alte, verrückte Hexe von French Silk sie gemein und dumm aussehen lassen. Die Medien hatten ausgiebig darüber berichtet, aber mit unterschwelliger Ironie. Niemand durfte sich über Ariel Wilde lustig machen!
Um ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, hatte sie das Interview bei CNN arrangieren lassen, das selbst vor ihrem kritischen Auge außerordentlich gut verlaufen war.
Aber heute war Claire Laurent bei CNN aufgetreten und hatte mit ihrem honigsüßen Dialekt losgelegt, der den Interviewer zu bezaubern schien – wie wahrscheinlich fast alle Zuschauer. Sie hatte klar und offen geantwortet, ohne schroff dabei zu wirken. Sie hatte Ariels Vorwürfe als Hirngespinste abgetan, aber keinen Zweifel daran gelassen, daß sie vor Gericht gehen würde, sollten sie wiederholt werden.
Zweimal hatte sie Jackson Wildes Missionsgesellschaft als einen Haufen fanatischer Trottel hingestellt. Das ließ sich Ariel nicht bieten. Wer so kühl und kontrolliert war wie Claire Laurent, mußte etwas zu verbergen haben.
Darum hatte Ariel jemand angeheuert, der ihre Nemesis im Auge behalten und täglich Bericht erstatten sollte. Als das Telefon auf dem Nachttisch klingelte, stürzte sie zum Apparat. Es war der Anruf, auf den sie gewartet hatte.
»Wir sind schon
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