Sündige Seide: Roman (German Edition)
untergraben, weil ich das Teilchen finden wollte, das in ihrer Geschichte fehlt.«
»Sie sind also überzeugt, daß etwas fehlt?«
»Ich bin fast sicher. Ich weiß nicht, ob sie lügt, um sich selbst oder jemand anderen zu schützen, aber sie sagt nicht die ganze Wahrheit. Leider reicht mein Gefühl nicht aus, um sie zu verhaften.«
»Leider?« Der D. A. fixierte ihn mit seinen scharfen, alles wahrnehmenden Augen. »Wollen Sie mir etwa weismachen, Sie finden die Frau nicht attraktiv?«
»Nein.« Cassidy sah ihm ins Gesicht. »Ich finde sie sogar äußerst attraktiv.«
Crowder ließ sich wieder in seinen Sessel sinken und fuhr sich mit der Hand durch das dünn gewordene Haar. »Warum habe ich nicht auf meine Mutter gehört und bin Zahnarzt geworden?« Dann knurrte er: »Wenigstens haben Sie mich nicht angelogen. Ich wäre Ihnen sowieso auf die Schliche gekommen. Es kursieren schon Gerüchte über Sie.«
»Was für Gerüchte?«
»Daß Sie sich zu Miss Laurent hingezogen fühlen. Glenn hat sich beim P. C. darüber beschwert. Und der kam deswegen zu mir.«
»Jesus!« schnaubte Cassidy wütend. »Glenn hat kein Recht –«
»Verdammt noch mal, natürlich hat er das Recht. Es ist schließlich auch sein Fall, oder haben Sie das vergessen? Er hat keine Lust, ihn von einem Staatsanwalt versauen zu lassen, der mit dem Kopf in den Wolken schwebt.« Er schüttelte den Kopf.
»Ich tue das nicht gern, Junge. Aber Sie lassen mir keine andere Wahl. Ich muß Sie von dem Fall abziehen.«
»Tun Sie es nicht, Tony. Ich brauche diesen Fall. Ich bringe den Täter vor Gericht, und ich sorge dafür, daß er verurteilt wird. Meine Karriere hängt davon ab. Ich werde mir diese Chance nicht entgehen lassen. Um keinen Preis der Welt.«
»Nicht einmal für eine Frau, die Ihnen gefällt?«
»Vor allem nicht dafür.«
Crowder musterte ihn. »Das klingt, als meinen Sie es ernst.«
»Das tue ich.« Cassidy fragte sich, ob es an der Zeit war, etwas anzusprechen, über das er bisher eisern geschwiegen hatte. Gestern nacht hatte er Claire erklärt, daß er von nun an auf Sieg spielen würde. Jetzt mußte er Crowder davon überzeugen. »Sie haben sich bestimmt gefragt, warum ich aus dem Verteidigerstand zur Anklage gewechselt habe, als ich hierherkam, Tony.«
»Ich fand es eigenartig, daß Sie eine lukrative Kanzlei für das Gehalt aufgegeben haben, das Sie hier kriegen. Aber nachdem ich Ihre Gewinn-und-Verlust-Listen durchgesehen hatte, war ich einfach nur froh, daß Sie zu mir gekommen sind. Wie kommen Sie darauf?«
Cassidy begann, Crowders Büro abzuschreiten. »Wie Sie sagen, hatte ich eine gutgehende Kanzlei. Ich hatte eine ganze Reihe von Streitfällen gewonnen, manche vor Gericht, manche im Vergleich. Ich hatte Klienten genug, und ich begann mich in meinem Ruhm zu sonnen. Ich war verdammt selbstsicher.«
»Ich kenne die Sorte.«
Cassidy quittierte Crowders Kommentar mit einem grimmigen Nicken. »Ein gewisser Klient bat mich, ihn zu verteidigen. Ein Gewohnheitstäter mit einer langen Vorstrafenliste. Er war wegen Raubüberfall im Gefängnis gewesen, aber vorzeitig entlassen worden. Nachdem er ein paar Wochen auf Ehrenwort draußen war, rief er mich an. Er sagte, man hätte mich empfohlen und gehört, ich hätte vor nichts Angst. Er war überzeugt, daß ich ihn raushauen könnte.«
Er stockte, schloß einen Augenblick die Augen und fuhr fort: »Das Schlimme daran war, Tony, daß ich genauso überzeugt davon war. Ich übernahm den Fall. Diesmal stand er wegen sexueller Nötigung vor Gericht, obwohl die Frau entkommen war, ehe er sie vergewaltigen konnte.«
Er blieb stehen und starrte aus dem Fenster. »Das Opfer war Anfang Zwanzig, hübsch, gut gebaut«, begann er leise. »Mein Klient hatte ihr aufgelauert, als sie abends aus dem Büro kam. Ich hatte nichts in der Hand. Man hatte ihn im wahrsten Sinn des Wortes mit runtergelassener Hose erwischt, nur einen halben Block vom Tatort entfernt. Der Staatsanwalt lehnte jeden Vergleich ab. Er wollte den Kerl einbuchten. Es kam zur Verhandlung. Ich konnte mich einzig und allein auf mein Schauspieltalent verlassen, aber darin war ich damals ein wahrer Künstler.« Er ballte eine Faust, so fest er konnte.
»Ich habe alle Register gezogen. Als ich mit dem Mädchen fertig war, waren die Geschworenen überzeugt, daß sie ein
Flittchen war und Miniröcke trug und ihre männlichen Kollegen anmachte. Ich weiß noch, wie froh ich war, daß sie einen großen Busen hatte, weil das meine
Weitere Kostenlose Bücher