Sündige Seide: Roman (German Edition)
etwas Geeignetes für den Auftritt in den Abendnachrichtenshows der beiden Lokalsender und für das Zeitungsinterview, das zuvor angesetzt war.
»Abgesehen von etwas Kopfweh geht’s mir ausgezeichnet, und das machst du mit deinen Vorhaltungen nur noch schlimmer.«
»Etwas Anständiges zu essen könnte die Kopfschmerzen vertreiben.«
»Gestern nacht habe ich gefressen wie ein Schwein.«
»Dann bist du auf dein Zimmer gegangen und hast alles wieder rausgekotzt.«
Sie warf ihm einen wütenden Blick zu, zog ein Kleid aus dem Schrank und schleuderte es auf das Bett.
»Ariel, du mußt etwas essen«, flehte er. »Du brauchst Nährstoffe. Du hast einen anstrengenden Tag vor dir.«
»Hör auf, an mir rumzunörgeln.«
»Du mußt essen.«
»Ich habe gegessen!«
Wütend zeigte sie auf das Tablett, das der Zimmerservice gebracht hatte. Er warf einen Blick darauf. Die Salatplatte war nicht angerührt worden, nur der Kaffee war leer. »Kaffee ist nichts zu essen.«
»Ich möchte mich jetzt umziehen«, erklärte sie ungeduldig.
»Wie du richtig bemerkt hast, habe ich einen anstrengenden Nachmittag vor mir.«
»Sag die Termine ab.«
Sie starrte ihn entgeistert an. »Wie bitte?«
»Sag die Termine ab und bleib heute im Bett.«
»Bist du übergeschnappt? Das kann ich nicht.«
»Du meinst, du willst es nicht.«
»Also gut, ich will es nicht. Ich will heute vor vollem Saal predigen.«
Josh fluchte leise. »Ariel, das ist Wahnsinn. Wir sind seit zehn Tagen auf Tour. Tagsüber gibst du Interviews, und abends hältst du stundenlange Gottesdienste. Wir reisen sogar nachts, nur damit wir keinen Tag verlieren. Du arbeitest dich auf.«
»Diese Tour zeigt Wirkung.«
»Sie überfordert uns.«
»Wenn’s dir zu heiß wird –«
»Das hat doch nichts mit dieser Sache in New Orleans zu tun, oder? Du veranstaltest diese dämlichen Gebetsversammlungen doch nicht, um die Polizei anzutreiben, sondern nur deinetwegen. Wir sind hier auf keiner heiligen Mission. Wir sind auf einem Egotrip. Deinem Egotrip, Ariel.«
»Und wenn es so wäre?« brüllte sie. »Du profitierst doch auch davon. Bis jetzt hast du dich noch nicht beklagt, wenn sich die Fernsehkameras auf dein Klavier richten. Glaubst du, ohne mich und meine Genialität würdest du mit deinem mittelmäßigen Talent so oft ins Fernsehen kommen?«
»Ich habe nicht nur ›mittelmäßiges Talent‹.«
Sie schniefte gehässig. »Ach wirklich? Jackson war da anderer Meinung. Du hast mir jedesmal leid getan, wenn er sich über ›seinen untalentierten Sohn‹ ausließ. Langsam glaube ich, daß er recht hatte.«
»Was soll das heißen?«
Sie drehte sich um. »Wir kommen zu spät.«
»Was soll das heißen?« brüllte er.
Ihr Gesicht verzerrte sich vor Haß. »Das heißt, daß es deinem
Vater peinlich war, dich bei uns auf der Bühne zu haben. Ich weiß gar nicht, wie oft er mir erzählt hat, daß er dich nur deshalb nicht rauswerfen würde, weil du sein einziger Sohn bist. Du hast keinen Geschäftssinn, du bist kein begnadeter Redner, und du hast nicht das Zeug zum Anführer. Er war froh, daß du wenigstens ein paar Lieder auf dem Klavier spielen konntest, sonst hättest du bei Piggly Wiggly an der Kasse arbeiten können.«
Bevor er merkte, was er da tat, schlossen sich seine Hände um ihren dürren Hals. »Du verlogenes Biest. Du bist eine gottverdammte Lügnerin.« Er hatte die Daumen gegen ihren Kehlkopf gepreßt und schüttelte sie mit aller Gewalt.
Ariels Hände schossen hoch und klammerten sich um seine Handgelenke, aber seine langen, schlanken Finger gaben nicht nach. »Daddy wußte, daß ich Talent habe, und das machte ihm Angst. Er hatte Angst davor, daß ich meine Träume wahr machen und berühmter und beliebter werden könnte als er.« »Laß – mich – los«, krächzte sie.
Plötzlich sah Josh wieder klar und merkte, daß seiner Stiefmutter bereits die Augen aus den dunkel umringten Höhlen traten. Er ließ sie los, und sie taumelte gegen die Kommode. Hustend und keuchend starrte sie ihn an. Ihr Blick war voller Verachtung. »Du bist ja krank.«
Joshs Atem ging fast so schwer wie ihrer. Die latente Gewalt, die so unvermutet zum Ausbruch gekommen war, beängstigte ihn. »Das hat er uns angetan«, sagte er langsam und heiser. »Er hat uns immer noch in der Hand. Als wäre der Scheißkerl nie gestorben.«
Wieder streckte er den Arm nach Ariel aus und drehte sie um. Er preßte die Hand gegen ihren Hinterkopf und schob ihr Gesicht dicht an den Spiegel. »Schau
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