Suendiger Hauch
Reeves.« Er schob seine Erinnerungen an Allison, die nicht im Geringsten dem Vergleich an seine Erinnerungen an Kathryn standhalten konnten, beiseite. »Ich werde mit ihr sprechen.«
Als er die Tür zum Grünen Salon öffnete, fand er sie auf dem mit dunkelgrünem Brokat bezogenen Sofa vor, so blond und strahlend und reizend wie bei ihrer ersten Begegnung. Er dachte an die ständige Müdigkeit und seine Sorge um Kathryn, die tiefe Furchen in seinem Gesicht hatten entstehen lassen, und daran, dass er in ihren Augen aussehen musste, als sei er mindestens um zehn Jahre gealtert.
»Mylord?« Als er hereinkam, erhob sie sich und sah lächelnd zu ihm auf. »Wie schön, Sie zu sehen.«
Er ließ seinen Blick an ihr vorbei im Raum umherschweifen auf der Suche nach ihrer Mutter, der stämmigen Baronin, doch sie schien Allison nicht wie üblich als Anstandsdame begleitet zu haben.
»Lady Allison ...« Er beugte sich formvollendet über ihre Hand. »Sie sehen so hübsch aus wie immer.«
Sie errötete. »Danke, Mylord.«
»Ich hoffe, Ihren Eltern geht es gut«
»Ja, das tut es, Mylord. Ich hingegen mache mir neuerdings große Sorgen.«
Lucien hob eine Braue. »Sorgen?«
»Ja, Mylord. Ich habe von diesen schrecklichen Dingen gehört ... es ist ja kein Geheimnis mehr, dass Ihre Frau Sie verlassen hat. Ich habe auch von den schrecklichen Anschuldigungen gehört.«
Luciens Kinnmuskeln spannten sich vor Wut an. »Meine Frau hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Sie hat niemals in ihrem Leben irgendjemandem etwas getan.«
Allison sah auf ihre Hände hinab, die sie vor ihrer Brust ineinander verschlungen hatte. »Daran hatte ich nie den geringsten Zweifel, Mylord«, sagte sie sanft. »Sie hat mich einfach zutiefst verletzt, verstehen Sie?«
Zornerfüllt stieß er den Atem aus. Kathryn war nicht die Einzige, die Allison Hartman verletzt hatte. Er hatte die Angelegenheit ebenfalls nicht gerade auf die eleganteste Art und Weise gelöst. »Kathryn hat die Geschehnisse immer zutiefst bedauert, Mylady Ebenso wie ich. Doch zu dieser Zeit benötigte sie sehr dringend meine Hilfe. Ich denke, sie ging davon aus, dass unsere Ehe nur eine kurze Weile dauern würde und dass Sie und ich trotz allem eines Tages noch heiraten würden.«
Ihre blauen Augen richteten sich auf sein Gesicht. »Dachte sie das wirklich?«
»Ja.«
Allison trat einen Schritt auf ihn zu und legte ihre schmale, weiß behandschuhte Hand auf seinen Arm. »Vielleicht ist das der Grund, warum sie fortgegangen ist. Dass Sie und ich schließlich doch noch zueinander finden.«
Lucien sah auf die zarte Hand hinab, die perfekt, graziös und weiblich auf seinem Ärmel lag. Doch er konnte sich nicht vorstellen, dass diese zarten Hände das taten, was notwendig war, um das Leben eines kleinen Jungen zu retten.
»Vielleicht war das zum Teil der Grund«, sagte er, während er sich mit sanftem Nachdruck aus ihrem Griff befreite und einen Schritt beiseite trat. »Als sie mich verließ, konnte sie nicht wissen, wie sehr ich sie inzwischen liebe. Sie wusste nicht, wie froh ich bin, dass ich sie geheiratet habe, und wie privilegiert ich mich fühle, sie zur Frau zu haben.«
Allisons Körper versteifte sich abrupt, während sich ihre Hände in den Stoff ihres cremefarbenen Seidenkleides krallten. »Ich dachte, Sie glauben nicht an die Liebe. Zumindest haben Sie das mir gegenüber stets behauptet.«
»Ich war ein Dummkopf«, gab er schlicht zurück.
Allison warf ihm mit zusammengezogenen Augenbrauen einen missbilligenden Blick zu. »Ich hatte gehofft, wir könnten die Dinge zwischen uns wieder in Ordnung bringen. Doch ich sehe, ich habe mich geirrt. Ich werde Reginald Dickersons ... Lord Mortimers Antrag annehmen, wie meine Mutter es für angemessen befand.« Sie hob ihr Kinn, raffte ihre Röcke und wollte an ihm Vorbeigehen, doch Lucien griff nach ihrem Arm. »Sie werden es nicht glauben, Allison, aber ich bin froh, dass wir nicht geheiratet haben. Sie verdienen einen Mann, der Sie wirklich liebt, ob dieser Mann nun Mortimer oder wie auch immer heißen mag. Entscheiden Sie sich für einen Mann, bei dem Sie sicher sind, dass Sie ihn ebenfalls lieben können, denn dies ist der Schlüssel zum wahren Glück.«
Allison gab keine Antwort, doch in dieser Sekunde flackerte etwas in ihren Augen auf. Er sah, wie ihr Reifrock über den Boden schwebte, als sie den Korridor entlangging und in die Kutsche stieg, die draußen vor dem Portal wartete. Allison war reizend und unschuldig und
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