Suendiger Hauch
pochte und sie aufging, doch ihre Augenlider waren zu schwer, als dass sie sie noch hätte öffnen können, um zu sehen, was um sie herum geschah.
Stattdessen sank sie noch weiter auf ihrer Strohmatte zurück und lehnte den Kopf gegen die Mauer. Ihr Nachthemd war über ihre Knie gerutscht, doch sie hatte keine Kraft mehr, um es herunterzuziehen. Ihr Mund fühlte sich trocken an. Sie fuhr mit der Zunge über ihre Lippen, die merkwürdig taub waren. Dann sah sie nach unten und bemerkte, dass ihre Hände zitterten.
Ihr Körper fühlte sich leicht an und merkwürdig weit entfernt, doch ihre Träume - oh, ja, ihre Träume waren so schön. Kathryn schloss die Augen und gab sich dem warmen Gefühl von Luciens Kuss hin.
7
Lucien, bekleidet mit eng anliegenden schwarzen Kniehosen, hohen schwarzen Stiefeln und einem schwarzen Jackett, das das Weiß seines langärmeligen Hemdes verbarg, ging neben Jason, ebenfalls ganz in Schwarz gekleidet, in Richtung der Ställe im hinteren Teil des Stadthauses.
Das bleiche Licht des fahlen, sichelförmigen Mondes wurde von dichten Wolken überdeckt, die über der Stadt hingen. Geräuschlos bestiegen sie ihre Pferde, Jasons großen Wallach Blackie und Luciens preisgekrönten schwarzen Zuchthengst namens Blade. Über verlassene Nebenstraßen machten sie sich auf den Weg, durch einige der finstersten Gegenden Londons, in Richtung des imposanten, vierstöckigen Steingebäudes des St. Bartholomew’s Hospital, das auf einem Hügel in den Außenbezirken Londons erbaut worden war.
Hinter der Anstalt wartete eine Kutsche auf der Straße, die sie zurück nach Surrey bringen würde. Sie hatten sie bereitstellen lassen, um Lady Kathryn in die Sicherheit von Luciens Jagdhütte in den Wäldern nahe Castle Running bringen zu können.
Alles, was sie zu tun hatten, war, sie nach ihrem Einbruch in die Anstalt rechtzeitig zu finden.
Lucien spannte seine Kiefermuskeln an. Was würden sie im St. Bart’s wohl vorfinden? Wenn Kathryn misshandelt worden war, wenn einer der so genannten Aufseher sie mit seinen dreckigen Fingern berührt hatte ... Er stieß einen lautlosen Fluch aus. Seine Worte waren ernst gemeint gewesen. Wenn Blakemore zugelassen hatte, dass irgendjemand sie auf irgendeine Weise verletzt hatte, würde er Luciens Zorn zu spüren bekommen, und die Folgen wären alles andere als angenehm. Er verkniff sich die Frage, warum dies eine so große Bedeutung für ihn hatte, und auch, darüber nachzudenken, wie es Kathryn gelungen war, die Distanz zwischen sich und anderen Menschen, auf die er immer so viel Wert gelegt hatte, zu überwinden. Im Augenblick galt seine gesamte Aufmerksamkeit der Tatsache, wie sie sie aus diesem Haus befreien konnten. Blade scheute kurz, als ein braunweißer Hund mit eingezogenem Schwanz auf den Weg gelaufen kam. Der Hund jaulte kurz auf, als der kräftige Wirt eines Gasthauses aus seiner Tür trat und mit einem Stein die Flanke des Hundes traf. »Hau bloß ab, elendes Drecksbiest.« Der Mann hob wütend eine Faust, dann wandte er sich um, verschwand wieder im Inneren des Wirtshauses und ließ die Tür mit einem lauten Krachen ins Schloss fallen.
Lucien und Jason trieben ihre Pferde an, sodass der Matsch unter den Hufen der beiden Tiere emporspritzte, als sie den aufgeweichten Weg entlangritten. In diesem Teil der Stadt waren die Straßen nicht gepflastert, sondern bestanden lediglich aus schmalen, ausgetretenen Wegen, in denen sich links und rechts der Abfall türmte. Der strenge Geruch verfaulenden Mülls hing in der Luft und veranlasste Blade, empört die Nüstern zu blähen. In den finsteren Hauseingängen drückten sich Bettler herum, während betrunkene Seeleute reihenweise die Straße entlangtorkelten und schmutzige Lieder sangen.
Sie setzten ihren Ritt fort, bis die Gegend sich schließlich zu verändern begann. Die kaum bewohnten Straßen waren nicht länger mit Abfall übersät, und an den Straßenrändern wuchs stellenweise Gras. Auf dem Hügel vor ihnen ragte das große, beleuchtete Gebäude des St. Bartholomew’s empor.
Lucien sah es an diesem Tag nicht zum ersten Mal. Sie waren zwei Tage zuvor während des Tages schon einmal hier gewesen, um sich zu orientieren und einen Plan zu entwerfen. Die Hintertür des Gebäudes schien der geeignetste Zugang zu sein. Jason deutete in diese Richtung, woraufhin Lucien seinen Hengst weiter vorantrieb. Außer einem Wachmann, der verschlafen auf seinem Posten stand, war das Tor unbesetzt. Wie Jason gesagt hatte, gab
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