Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
noch ein Rätsel.
Zum ersten Mal, seit sie das Durcheinander in Lady Lettices Zimmer betreten hatte, sah Emma Durant an. Sie bemerkte erst jetzt, dass er von Kohlenstaub bedeckt war. »Ihr seid völlig verdreckt!«, rief sie.
»Werte Mistress, das ist so, als würde der Topf den Kessel schwarz schimpfen. Im wahrsten Sinne des Wortes.« Mit zwei Fingern wischte er über ihre Wange und zeigte ihr den Ruß auf seiner Haut.
Entsetzt schaute Emma auf ihr Kleid. Das schöne Kleid, das sie heute früh in ihrem Zimmer gefunden hatte! Über den Knien war der Stoff schwarz. Sie hatte Ruß auf dem Mieder und auf ihrem rechten Arm, und irgendwie war es ihr zwischendurch gelungen, sich eine weiße Manschette abzureißen. »Das ist das zweite Kleid, das ich in zwei Tagen ruiniere. Glaubt Ihr, Lady Fanchere wird das bemerken?«
Er legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend laut. Dann beugte er sich vor und musterte sie. Er schaute sie einfach an, aber etwas an seinem Gesichtsausdruck war anders als sonst. Er wirkte interessiert oder fasziniert oder … irgendwie anders. »Ich denke, das wird sie. Und zwar schon sehr bald.« Immer noch lächelnd lenkte er den Karren in die Einfahrt zum Anwesen der Fanchere.
»Könnt Ihr mich zu einem Hintereingang bringen, wo man mich nicht beobachtet, wenn ich das Château betrete?« Sie spreizte die Finger im Schoß. Die Fingernägel hatten Rußränder, und irgendwo hatte sie die Handschuhe verloren.
»Natürlich. Das Château verfügt über viele Durchgänge und Eingänge.« Er fuhr sie zu einer kleinen Seitentür und hielt vor einer Treppe. »Ehe die Fancheres die Küche umgesiedelt haben, diente das hier als Dienstboteneingang. Von hier gelangt Ihr auf kürzestem Weg in Euer Zimmer.« Als sie gerade vom Karren springen wollte, hielt er sie am Arm fest.
Sie schaute ihn misstrauisch an. Was hatte er noch vor?
»Hört mir genau zu. Ich beschreibe Euch jetzt den Weg zu den Dienstbotenquartieren«, sagte er.
Sie entspannte sich. »Vielen Dank.« Er hatte einen merkwürdigen Ausdruck in den Augen, wenn er sie so anschaute. Doch er war der perfekte Gentleman. Es war dumm von ihr, etwas anderes zu vermuten.
Sie lauschte aufmerksam, während er ihr erklärte, welche Treppen sie nehmen und um wie viele Ecken sie biegen musste. Sie versicherte ihm, dass sie ihr Zimmer finden würde, obwohl sie sich da nicht so sicher war. Dann ließ sie sich von ihm vom Karren helfen. Sie eilte zu dem Château.
Seine Stimme hielt sie zurück. »Miss Chegwidden.«
Sie drehte sich um.
Er öffnete den Weidenkorb hinter dem Kutschbock und brachte ihre Medizintasche zum Vorschein.
»Ich danke Euch!« Die hatte sie fast vergessen. Sie wandte sich ab.
Erneut rief er sie. »Miss Chegwidden.«
Sie wirbelte herum. Diesmal hielt er eine andere Tasche hoch. Es handelte sich um ihre alte, abgewetzte Reisetasche, die vollgestopft war mit … »Meine Kleider! Wie habt Ihr denn das hinbekommen?«
»Ich habe die Zimmermädchen gebeten, Eure Sachen zusammenzusuchen, während Ihr mit dem Kind beschäftigt wart.«
»Ich danke Euch. Ihr rettet mir wirklich den Hals!«
»Nein, Miss Chegwidden. Das Leben habe ich Euch damit nicht gerettet. Lasst uns nur beten, dass es nie so weit kommt.«
»Das stimmt. Mir wäre das übrigens auch lieber.« Weil sie nicht glaubte, dass er dazu imstande war.
Sie öffnete die Reisetasche und fand obenauf ihr zweitbestes Kleid. Es war achtlos hineingestopft worden und zweifellos zerknittert, aber wenigstens war es sauber. Darunter fand sie den Wollschal, den die Frauen ihres Heimatdorfs gewoben hatten, die Miniatur ihres Vaters und die Stolz und Vorurteil -Ausgabe ihrer Mutter. »Ihr habt heute viel für mich getan«, erklärte sie Durant. »Ich werde mich daran erinnern, und ich verspreche Euch, eines Tages werde ich mich dafür revanchieren.«
»Ich werde Euch daran erinnern.« Als sie überrascht und leicht besorgt zu ihm aufblickte, lächelte er unbekümmert und lehnte sich gegen den Karren. »Erinnert Ihr Euch noch an den Weg in Euer Zimmer?«
»Ja. Vielen Dank noch einmal!« Sie winkte ein letztes Mal und eilte zum Château.
Er blickte ihr nach, bis sich die Tür hinter ihr schloss.
Vor seiner Einkerkerung hatte er sich von Leidenschaften, seiner Wut und der Lust auf Abenteuer mitreißen lassen. Wohin ihn seine Gefühle auch trieben, er folgte ihnen ohne jede Vorsicht und ohne einen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden. Sein Bruder hatte sich oft über Durants
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