Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
Moricadier waren zu stolz, um Hilfe anzunehmen, auch wenn sie die Hilfe noch so dringend brauchten.
Andere Leute tauchten in den Fenstern und am Rande des Innenhofs auf. Zwei Frauen eilten zum Brunnen in der Mitte des Hofs und holten Wasser hoch. Die ganze Zeit ließen sie die Fremden nicht aus den Augen.
»Ich danke Euch, dass Ihr Elixabete heimgebracht habt«, sagte Damacia. »Ich danke Euch beiden. Seit Rickie de Guignard ermordet wurde, trauen wir uns kaum aus unseren Häusern, weil wir uns vor den Männern des Fürsten fürchten. Sie fangen uns und stellen viele Fragen. Sobald sie einen erst in der Hand haben, kann man vor Schande auch gleich sterben.«
Eine der Frauen am Brunnen knallte ihren Eimer auf das Kopfsteinpflaster. »Still, Damacia. Um deiner Kinder willen, halt den Mund!«
Damacias Kopf fuhr herum. »Das hier ist der Engländer. «
Beide Frauen sogen scharf die Luft ein. Sie schienen Durant unter dieser Bezeichnung zu kennen.
Eine sank in einen tiefen Knicks.
Die andere, die die Warnung geäußert hatte, machte sich davon.
Emma beobachtete die Menschen und versuchte zu verstehen, was mit ihnen los war. Diese Gesellschaft wird von der Angst zerfressen und zerstört.
Durant senkte die Stimme. »War die Vergeltung schlimm?«
»Nicht so schlimm wie befürchtet. Sie glauben im Grunde nicht, dass es einer von uns war. Sie denken, wir sind nicht klug genug, um Pläne zu schmieden und den Schnitter zu erschaffen. Sie wissen außerdem, dass uns das Geld für ein schnelles Pferd fehlt, und sie wissen, dass die meisten von uns noch nie im Sattel gesessen haben. Sie glauben, wir sind zu feige, um zu versuchen, ein Schwein wie Rickie de Guignard umzubringen.« Damacias Stimme zitterte vor unterdrückter Wut. »Vielleicht sind wir das auch. Aber wir sind froh, dass er fort ist.«
»Damacia. Still.« Die Frau am Brunnen klang eindringlich.
Durant und Damacia schenkten ihr keine Beachtung.
»Ich habe gehört, der Schnitter verscheucht nun schon die ersten Glücksspieler, die das Geld sonst nach Moricadia bringen und an Fürst Sandres Spieltischen verzocken«, erzählte Durant.
»Das ist gut.« Damacia lachte freudlos. »Ich habe gehört, Fürst Sandre ist wütend, weil seine Männer den Schnitter nicht fangen und exekutieren können. Er fürchtet, er wird zum Gespött der Leute in Moricadia. Unser Fürst mag es nicht, wenn man ihn für einen Dummkopf hält.«
»Dann sollte er lieber nicht versuchen, den Schnitter zu fangen. Der Schnitter ist der Geist von König Reynaldo, und Geister kann man nicht festnehmen.« Durant sah aus, als meinte er das ernst. Als glaubte er wirklich an Geister.
Emma glaubte nicht an Geister. Zumindest hatte sie nicht daran geglaubt, bis sie nach Moricadia kam. Jetzt machte die bloße Erinnerung an ein skelettartiges Gesicht sie so schwach vor Angst, dass ihr Teller aus den Händen rutschten und sie sich fragte, ob sie nicht einer Halluzination aufgesessen war.
»Ich habe das Gerücht auch gehört. Vielleicht ist er das. Mir ist es egal. Rickie de Guignard hat meinen Ehemann ermordet.« Damacia sprach jetzt an Emma gerichtet, als könnte sie verstehen, was sie damit meinte.
»Das tut mir leid«, sagte Emma.
»Er hat Tiagos Leiche an der Kreuzung aufgehängt, damit die Vögel ihm die Augen auspicken konnten. Ich bin froh, dass Rickie dasselbe Schicksal ereilt hat, und ich hoffe, die Vögel hatten genug Zeit, sich an ihm gütlich zu tun, ehe sie seine Leiche vom Galgen schnitten.«
Die Heftigkeit, mit der Damacia ihre Ansichten vorbrachte, entsetzte Emma. Zugleich aber konnte sie sie verstehen. Wenn sie jemanden hätte, den sie so sehr liebte, und wenn er ihr unrechtmäßig genommen würde, wäre sie bestimmt auch wütend, und vielleicht könnte sie auch nicht verzeihen.
Sie wusste es nicht. Es war so lange her, seit sie sich erlaubt hatte, etwas zu empfinden und nicht einfach alles stillschweigend hinzunehmen.
Durant senkte die Stimme. »Ich habe außerdem gehört, dass Reynaldos Geist der Vorbote für die Rückkehr des wahren Königs ist.«
Die zwei Frauen beugten sich weiter herüber und lauschten angestrengt.
Damacia starrte ihn an. »Tatsächlich?« Das Wort war nur ein atemloses Hauchen.
»Natürlich könnte es Euch das Leben kosten, wenn Ihr das öffentlich wiederholt.« Während er sprach, blitzten seine Augen.
Damacia nickte, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Ja, das wäre äußerst gefährlich. Ich werde es nicht weitererzählen.«
Aber die zwei Frauen
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