Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
dass sie nicht länger in England weilte. »Also gut. Dann werde ich mich erst waschen und das Kleid wechseln …«
»Dafür bleibt keine Zeit.« Er packte ihr Handgelenk und zog sie den Korridor entlang. »Kommt!«
Entsetzt versuchte sie, sich ihm zu entziehen. »Aber Mylord, ich kann doch nicht in diesem Zustand vor Eurer Frau erscheinen!«
Er schaute sie an und schien jetzt erst die Flecken zu bemerken, die sie von Kopf bis Fuß bedeckten. »Was habt Ihr denn angestellt? Seid Ihr in einen Kamin gefallen?«
»Etwas in der Art.«
»Perfekt.« Er marschierte wieder los und zog sie hinter sich her. »Beide Frauen werden bei Eurem Anblick völlig aus der Fassung geraten.«
Er schien ein wirklich merkwürdiger Mann zu sein, der sich allerdings schrecklich um seine Frau sorgte. Darum mochte Emma ihn. Aber in diesem Zustand vor Lady Fanchere und Lady de Guignard zu erscheinen … »Das gehört sich nicht.«
»Wir sind hier in Moricadia. Was sich gehört und was nicht, ist eher Nebensache. Hier schaut man mehr auf Zweckmäßigkeit und auf sein eigenes Überleben.« Er schaute sie mitleidig an. »Ich weiß, das ist schwer zu glauben angesichts des Luxus, der uns umgibt, aber wir leben auf des Messers Schneide, eine falsche Bewegung könnte fatale Folgen haben. Richtig und falsch sind in diesem Land durcheinandergeraten. Ich bitte Euch daher, Miss Chegwidden, sagt zu Eurem eigenen Wohl so wenig wie möglich und lasst Euch nicht darauf ein, irgendwelche Gewissensfragen beantworten zu wollen.«
»Ihr seid der dritte Mann, der mir heute diese Warnung erteilt.«
»Dann nehmt das als Zeichen.« Er blieb vor einer hohen Doppeltür stehen.
Von drinnen konnte Emma lautes Weinen hören.
Er legte die Hände auf die Türknaufe. »Und denkt daran: Eure Aufgabe ist es, mit den beiden nach Aguas de Dioses zu reisen. Ablenkung. Ablenkung, Ablenkung!« Er riss die Türflügel auf und rief: »Eleonore, Miss Chegwidden hat es offensichtlich schon wieder geschafft, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Könnt ihr beide ihr helfen?«
Die Reise nach Aguas de Dioses wurde recht schnell beschlossen. Während Lady Fanchere und Aimée noch laut ihrem Erstaunen über Emmas dreckiges Kleid Ausdruck verliehen, packten die Zofen bereits ihre Sachen. In der Zwischenzeit wurde Emma gebadet und in ein neues Kleid gesteckt. Als sie fertig war, wartete die Reisekutsche schon vor dem Schloss. Lord Fanchere half den Damen und Emma hinein und verabschiedete sie mit der Ermahnung, sich zu entspannen und den Aufenthalt zu genießen. Die Straßen waren gut ausgebaut, die Kutsche gut gefedert. Und als sie am frühen Abend im Heilbad eintrafen, verlieh Emma lautstark ihrer Überraschung und Freude Ausdruck.
Aguas de Dioses war mehr als nur ein Ort, um zu kuren. In einem kleinen, grünen Talkessel gelegen war das Heilbad eine Stadt, die um die warmen Quellen herum erbaut war, die hier ans Tageslicht traten und reich an Eisen und Schwefel waren. Außerdem gab es kaltes Wasser, das von einem hellblauen Gletscher weit oben in den Bergen in Bächen ins Tal floss. Die Versammlungsräume waren das schlagende Herz des Heilbads, sie waren mit Marmor aus Italien in zartem Rosa und Weiß ausgelegt.
Große, luxuriöse Hotels rahmten die Quellen ein, und von dort führten breite Straßen die Hügel hinauf, an denen sich viele Läden aneinanderreihten, in denen man Brot, Käse, Hüte und Handschuhe, feine Spitze und so ziemlich alles andere erwerben konnte, wonach es einer gelangweilten Lady oder einem müßigen Gentleman gelüsten konnte. Unterhalb der Versammlungsräume führten enge Straßen zu den Wohnhäusern, in denen die Dienstmädchen und Lakaien lebten, die in den Läden, den Hotels und dem beeindruckend schönen Heilbad arbeiteten.
Lord Fanchere hatte sie zu einem kleineren Hotel geschickt, das exklusiver war als alle anderen am Ort. Bei ihrer Ankunft wurden sie von einer Abordnung des Hotels begrüßt, die sich aus dem Geschäftsführer, dem Butler, der Hausdame, dem Koch, dem Concierge und fünf Dienstmädchen zusammensetzte, die für die Besucher zuständig waren. Jeweils zwei kümmerten sich um die Damen, und die fünfte war für Emma zuständig.
Während ihrer Reisen mit Lady Lettice hatte Emma schon viele Hotels besucht, aber sie hatte noch nie eine eigene Zofe gehabt, die dafür sorgte, dass es ihr an nichts fehlte. »Ich bin wirklich beeindruckt«, erklärte sie und beobachtete, wie die Zofe ihre kleine Reisetasche in ihr Zimmer oben im vierten
Weitere Kostenlose Bücher