Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
nackten Hände hin. »Kommt. Lasst uns schauen, was die Zukunft für Euch bereithält.«
Zögernd legte Emma ihre Hände in die von Countess Martin.
Die Augen der Countess verloren sich augenblicklich im Leeren. Sie war noch da, und doch wieder nicht. Mit träumerischer Stimme sagte sie: »Reitet für die Ehre. Für die Gerechtigkeit. Aber reitet nicht um der Freundschaft willen.« Ihre Hände umschlossen Emmas fester. »Wenn Ihr der Wut nachgebt, wird das eine Katastrophe nach sich ziehen, nur äußerst mutige Taten können Euch vor der Grausamkeit und einer immerwährenden Dunkelheit bewahren. Oder vor einem Grab, das Eure Seele für immer gefangen hält …«
Emma schluckte hart. Sie wünschte, sie wäre überall, nur nicht hier. Sie stand einer verrückten Countess gegenüber, die irgendwelchen Unsinn darüber brabbelte, dass Emma irgendwohin ritt, obwohl sie es kaum schaffte, sich auf einem Pferderücken zu halten. »Wenn ich Euch damit weniger unglücklich mache, verspreche ich Euch gerne, gar nicht zu reiten«, erklärte sie.
Countess Martin kam mit einem Ruck in die Realität zurück. Sie betrachtete Emma prüfend von Kopf bis Fuß. Dann lachte sie. »Ich bin sicher, Ihr meint das Versprechen ernst. Aber ich fürchte, Ihr werdet es nicht halten können. Nun gut.« Sie stand auf und winkte ab. »Grüßt Sandre recht herzlich von mir.«
Emma erhob sich ebenfalls.
Countess Martin wollte gerade gehen, doch dann kam sie noch einmal zurück. Mit einem angestrengten Lächeln erklärte sie: »Ich versuche immer wieder, dieses Gefühl abzuschütteln, aber ich mache mir Sorgen um Lady de Guignard. Sagt ihr … Sagt ihr bitte noch einmal, dass sie sich von hohen Orten fernhalten soll. Der Fall könnte sehr tief sein.«
Die Eindringlichkeit, mit der sie sprach, ließ Emma vor Angst schlecht werden. »Ich werde es ihr ausrichten«, versprach sie.
»Braves Mädchen.« Countess Martin kniff sie ins Kinn, als sei sie ein kleines Kind. »Und denkt an das, was Ihr bereits wisst. Fürst Sandre ist auf jede nur erdenkliche Weise schlecht. Entzieht Euch seinen Aufmerksamkeiten.« Sie lachte. »Aber natürlich! Wie konnte ich das vergessen. Das könnt Ihr nicht. Der Schnitter zwingt Euch, zu bleiben.« Mit diesen Worten verließ sie den Raum.
Emma starrte ihr sprachlos nach.
Woher konnte die Countess das wissen? Was wusste sie über den Schnitter?
Konnte sie Emma etwa sagen, was passieren würde?
»Wartet!« Emma stolperte über ihre eigenen Füße, als sie in den Korridor lief.
Aber Countess Martin war verschwunden.
Mit einem tiefen Seufzen machte Emma sich auf den Rückweg zum Ballsaal.
28
Emma war verloren. Sie hatte sich im königlichen Palast verirrt.
Sie war aus dem Waschraum getreten und fand sich dort allein wieder. Ohne nachzudenken, hatte sie sich nach links gewendet.
Offensichtlich hätte sie lieber nach rechts gehen sollen, denn der Palast war wie ein Kaninchenbau mit unzähligen Gängen und Treppen – und sie war das Kaninchen. Sie wanderte durch die spärlich beleuchteten Korridore und suchte nach jemandem, der ihr den richtigen Weg zeigte. Da sie niemanden fand, suchte sie nach einem heller beleuchteten Gang, der sie in den öffentlich zugänglichen Teil des Palasts geleiten würde.
Sie hatte leider kein Glück mit ihrer Suche.
Jetzt sah sie ein Schimmern und marschierte ermutigt darauf zu. Doch zu spät erkannte sie, dass sie die Terrasse gefunden hatte, und der silbrige Schimmer stammte vom Mond, der an einem klaren, dunklen Himmel hing. Sie stöhnte auf und lehnte sich frustriert gegen eine Wand. Sie starrte aus dem Fenster und fragte sich, ob überhaupt jemand kommen und nach ihr suchen würde. Oder war sie für immer in dieser schrecklichen Parodie vom Märchen von Aschenbrödel gefangen?
Der Gang zweigte an dieser Stelle nach links ab. Hin und wieder brannten einzelne Kerzen in Wandleuchtern. Vom Korridor gingen immer wieder Türen ab, und in jedem Durchgang konnte sie das Mondlicht sehen. Der Korridor verlief also parallel zu der Terrasse. Sie begann, den Gang entlangzugehen und schaute in die dunklen Zimmer. Als sie eine Tür entdeckte, die auf die Terrasse führte, eilte sie darauf zu und trat nach draußen. Sie ging zur Balustrade und schaute sich um.
Der Palast war auf einer mittelalterlichen Ruine errichtet worden. Die Küchen waren tief unten und darüber erstreckten sich die Wohnräume. Sie stand im zweiten Stock, unter ihr fiel der Felsen steil ab. Obwohl der Ausblick wirklich
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