Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
Arm zurück zu Lord und Lady Fanchere.
Am Rand der Tanzfläche saß tatsächlich Lady Lettice und hatte ihre Verehrer um sich geschart.
Bis zu diesem Augenblick war Emma nicht in den Sinn gekommen, dass sie Lady Lettice je wiedersehen könnte. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, den Schnitter zu verstecken, sich um Fürst Sandre und seine Absichten zu sorgen und sich um Lady Fanchere und Aimée zu kümmern, die ihrerseits Emmas Anproben überwachten. Außerdem hatte sie sich der Missbilligung ihresgleichen stellen müssen.
Jetzt aber bot das Schicksal ihr eine Gelegenheit, wenigstens ein kleines bisschen Vergeltung zu üben. Obwohl sie wusste, wie gemein, ungerecht und schwach das von ihr war, ergriff sie die Gelegenheit beim Schopf.
Sie lehnte sich gegen Fürst Sandres Arm und lenkte ihn so unauffällig in die Richtung. Als sie an Lady Lettice vorbeikamen, blieb sie gespielt überrascht stehen und rief: »Lady Lettice! Was für eine Überraschung, Euch zu sehen!«
Lady Lettice kam auf die Füße. Ihr blieb keine Wahl, wenn der Fürst ihr seine Aufmerksamkeit schenkte.
Aber Emma konnte sehen, wie die Lady kämpfte. Jawohl, sie kämpfte gegen den von ihr verlangten Knicks an, denn damit würde sie nicht nur Fürst Sandre ihre Reverenz erweisen, sondern auch ihrer eigenen früheren Gesellschaftsdame.
Fürst Sandre schien den kleinen Schlagabtausch der beiden Frauen nicht zu bemerken. Aber er bemerkte recht deutlich, dass Lady Lettice ihm nicht den Respekt darbot, der ihm rechtmäßig zustand. Darum blieb er stehen. Starrte sie kalt an. »Nun?«, fragte er.
Mit einem Schluchzen, das wohl eher von ihrer Wut befeuert wurde, sank Lady Lettice in einen tiefen Knicks.
Besänftigt sagte Fürst Sandre: »Ich hoffe, Ihr genießt Euren Aufenthalt in unserem schönen Land.«
»Ja, Euer Hoheit.« Lady Lettice verharrte in dem Knicks und hatte die Augen niedergeschlagen. Sie war der Inbegriff der Unterwerfung.
Natürlich. Solange sie hier standen, durfte sie sich nicht wieder aufrichten.
Darum sagte Emma: »Ich dachte, Ihr wärt inzwischen abgereist, Lady Lettice.«
»Das habe ich auch vor«, erklärte Lady Lettice.
»Moricadia wird nach Eurer Abreise völlig verwaist sein«, sagte der Fürst.
Ein leichtes Zittern setzte in Lady Lettices Knien ein und wanderte bis zu ihren winzigen Korkenzieherlocken nach oben.
»Sie fürchtet den Schnitter«, informierte Emma den Fürsten.
Lady Lettice warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
Sie lächelte strahlend.
»Dafür habt Ihr keinen Grund«, erklärte Fürst Sandre Lady Lettice. »Er ist so gut wie tot.«
Dann jedoch machte Lady Lettice einen fatalen Fehler. Sie fauchte: »Natürlich ist er tot! Er ist ja nur ein Geist!«
Fürst Sandre war von einer Sekunde auf die andere nicht mehr höflich, sondern eiskalt. »Er ist ein Krimineller, und ich werde ihn zur Strecke bringen und an ihm Gerechtigkeit üben.« Er ging weiter.
Emma schritt an seiner Seite. Zufrieden hörte sie ein Stöhnen hinter ihrem Rücken. Sie fragte sich, ob es Lady Lettice gelungen war, sich aus eigener Kraft aufzurichten oder ob einer ihrer Verehrer sie wieder auf die Füße hatte ziehen müssen.
»Sie kommt mir irgendwie bekannt vor. Wer ist dieses erbärmliche Weib?«, wollte Fürst Sandre wissen.
»Das ist die Lady, die einen Fisch in ihren Ausschnitt hat fallen lassen«, erklärte Emma zutiefst befriedigt.
Er legte den Kopf in den Nacken und lachte lauthals. »Jetzt erinnere ich mich wieder! Das war wirklich unglaublich lustig. Ich wünschte, ich könnte das noch einmal sehen.«
»Ich glaube kaum, dass ich das ein zweites Mal bewerkstelligen könnte«, erklärte sie verschmitzt. Doch diese Bemerkung entging Fürst Sandre völlig.
Er war zu sehr damit beschäftigt, die Besucher seines Landes huldvoll anzulächeln und seinen Speichelleckern zuzunicken.
Er geleitete Emma zurück zu Lord und Lady Fanchere.
»Was für ein hübsches Paar ihr zwei doch abgebt!«, verkündete Lady Fanchere.
Er verneigte sich vor den beiden Damen und gab Lord Fanchere die Hand. »Ich hoffe, auch den nächsten Tanz mit Miss Chegwidden tanzen zu dürfen«, sagte er.
In England bedeuteten zwei Tänze hintereinander, dass das Paar so gut wie verlobt war.
Das durfte Emma nicht erlauben. »Ich danke Euch, Eure Hoheit, aber ich muss mich kurz entschuldigen. Ich komme gleich wieder.«
Er verstand, was sie damit ausdrücken wollte – sie wollte den Waschraum aufsuchen. Er winkte eine Dienerin heran, und sie
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