Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
angeblich gefallen.«
»Stimmt überhaupt nicht. Ein guter, vernünftiger Mann …«
»So ein Mann würde dich anöden, Miranda. So einen Langweiler brauchst du wirklich nicht. Hör einfach auf dein Herz, alles andere wird von alleine auf dich zukommen.«
Um sich nach diesem Abend wieder im Haus des Viscount zu zeigen, musste Miranda ihren ganzen Mut zusammennehmen. Viel zu deutlich spürte sie die Blicke der Dienstboten. Was hatte sie denn sonst erwartet? Wahrscheinlich wussten sie alles.
Außer vielleicht, dass Downing sie für eine russische Prinzessin ausgegeben und eiskalt für seine eigenen Zwecke benutzt hatte. Doch die Kleider, das Maskenfest, die Aufmerksamkeit, die er ihr täglich schenkte, das Zimmer, das zu ihrer Verfügung stand … Wohin sollte das alles führen? Gehörte es tatsächlich zu einem schurkischen Plan? Wenn ja, was hatte er vor? Wollte er sie zu seiner Geliebten machen? Soviel von ihm bekannt war, hielt er niemals Mätressen aus, sondern bevorzugte kurzfristige Affären. Es hieß, er meide jede Form von dauerhafter Beziehung.
Und aus welchem Grund hatte er sie in eine Prinzessin verwandelt? Nur um die Skandale seiner Mutter zu bemänteln? Um vom Duell abzulenken, das in den Zeitungen angekündigt worden war? Jede Frau hätte er dazu überreden können, diese Rolle zu spielen. Dafür wäre eine Schauspielerin besser geeignet gewesen.
Warum ich?
Während sie in der Bibliothek am Schreibtisch saß und den Apfel aß, den ihr ein fürsorgliches Dienstmädchen gebracht hatte, versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen. Bevor sie ihn wiedersah, musste sie sich über einiges klarwerden. Sie beschloss, einen Brief zu schreiben.
Lieber Mr. Pitts, wie ich gestehen muss, habe ich jemanden kennengelernt, der mich völlig durcheinanderbringt. Muss man nach Ehrbarkeit streben? Oder wird sie von der Gesellschaft zu wichtig genommen? Sollte ich meinen eigenen Weg gehen? Gewiss, Sie empfehlen mir, der Stimme meiner Vernunft zu folgen. Aber meine Gefühle drängen mich in verschiedene Richtungen. Zu Leidenschaft und Abenteuer – und gleichzeitig zur Respektabilität, deren vermeintlich große Bedeutung mir von meiner Mutter eingetrichtert wurde. Wenn ich einen Roman lese, begeistern mich immer wieder die lockende Versuchung und die gefährliche Sehnsucht der Heldinnen. In der Wirklichkeit bereitet mir d ergleichen Magenkrämpfe. Mein Puls rast, meine Gefühle flattern umher wie Schmetterlinge in einem Sturm. W as soll ich tun? Ein Abenteuer suchen? Oder die Respektabilität wählen und mich damit zufriedengeben?
Mr. Pitts äußerte stets ehrlich seine Ansichten. Ganz egal, ob Miranda seine Ratschläge befolgte oder nicht. Sie gab den Brief einem Dienstboten mit der Bitte, ihn in die Kassette für die Post zu legen, und drückte ihm einen Penny in die Hand.
Was würde Mr. Pitts von ihrer Liaison mit Downing halten? Von dem Skandal, der in den Klatschspalten breitgetreten wurde, wenngleich ihre Identität verborgen geblieben war?
Oh, diese beklemmenden Gedanken … Wütend schleuderte sie ein Buch auf einen Stapel. Sobald der Mann, der die Schuld daran trug, in der Bibliothek erschien, würde sie ihm gehörig die Leviten lesen.
Aber er kam nicht.
Kein einziges Mal an diesem langen Vormittag und auch nicht am Nachmittag. Der Lunch wurde serviert, und sie aß ihn allein. Tee und Gebäck ebenfalls. Die Dienstboten fragten leise, ob sie ihr helfen könnten und ob sie irgendetwas wünsche. Nein, sie konnten ihr nicht helfen.
Als die Schatten länger wurden, ging sie zum Vordereingang. Jeffries tauchte aus einer dunklen Ecke in der Halle auf. »Miss Chase, der Kutscher wird Sie nach Hause bringen.«
»Danke, das ist nicht nötig.«
»Der Wagen wartet bereits am Ende der Zufahrt. Darauf hat Seine Lordschaft bestanden.« Der Butler öffnete die Tür und hielt Miranda etwas hin. »Das soll ich Ihnen geben. Guten Abend, Miss.«
Erstaunt nahm sie eine Mappe entgegen. Die Bengalische Dichtung ? Darauf würde sie ihren Wochenlohn wetten. Während sie die Eingangsstufen hinabstieg, wuchs ihre Verwirrung. Umso mehr, als Giles und Benjamin sie bei der Kutsche freundlich begrüßten, als sei sie immer noch ein Ehrengast.
Tatsächlich: Es war die Bengalische Dichtung. Ihr Onkel würde sich freuen.
Auch am nächsten Tag ließ er sich nicht blicken. Entschuldigend erklärte Jeffries, Seine Lordschaft habe wegen einer dringenden Angelegenheit plötzlich weggemusst und lasse ihr seine besten Grüße ausrichten.
Nur
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