Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
ursprünglich nicht als Titelerbe erzogen. Ich konnte recht frei meinen Neigungen leben. Deshalb ging ich zur Navy und fuhr übers Meer, verbrachte sehr viele Nächte in den Häfen. Dort trifft man schöne Frauen, die einem Mann allerlei beibringen .«
Er schaute zur Tür, als würde er auf jemanden warten. Verwirrt zwang sie sich, sein Lächeln zu erwidern. Warum erzählte er ihr das alles?
»Oh, wie ich sehe, sind Sie irritiert, meine liebe Lady. Das sehe ich Ihren Augen an. Ich habe nämlich gelernt, darin zu lesen. Nur meine Gemahlin gibt mir Rätsel auf … Zurück zu Ihnen. Offenbar glauben Sie, ich würde Sie für einen Dienstboten halten.« Er zuckte die Achseln. »So etwas habe ich niemals wichtig genommen. Damals in meiner Jugendzeit wollte ich sogar die Mädchen in den Häfen heiraten, zumindest zwei oder drei von ihnen.« In seine Augen trat ein träumerischer Glanz. »Lange Trennungen erhalten die Liebe und schüren die Leidenschaft. Bedauerlicherweise hat der unerwartete Erbfall diese großartigen Pläne durchkreuzt.«
»Eine Haltung, die Ihrer Stellung nicht gemäß ist«, sagte Miranda streng.
»Aha, habe ich mir es doch gedacht«, meinte er grinsend und warf erneut einen Blick zur Tür. »Eine Mätresse lässt ihr Bett von vielen Bewunderern wärmen – und ihr Bankkonto füllen. Was ich Ihnen erzählt habe, würde eine gefallene Frau nicht schockieren. Eine Prinzessin schon …«
»Vielleicht bin ich eine gefallene Prinzessin.«
»Mag sein. Wie auch immer hatte Maxim seit jeher einen guten Geschmack.«
Seine Bemerkung erinnerte sie daran, dass sie nicht seine erste Eroberung war – und vermutlich auch nicht seine letzte. Entschlossen suchte sie den unangenehmen Gedanken zu verscheuchen.
»Ich merke Ihr Zögern, meine Liebe. Mir scheint, Sie machen sich Sorgen um seine Zuverlässigkeit. Keine Bange, mein Sohn ist viel beständiger als ich. Eine Frau wie Sie hat er sicherlich nicht bloß für ein paar Nächte gewählt.«
In tiefste Verlegenheit gestürzt, senkte sie den Kopf und schwieg.
»Dauernd macht er mir Vorwürfe«, klagte der Marquess, »und fühlt sich verantwortlich, den Schaden wiedergutzumachen, den ich mit meinen flüchtigen Affären anrichte. Keine Ahnung, warum er überhaupt auf die Vorhaltungen seiner Geschwister hört. Wäre ich so ehrbar, wie die es wünschen, würde ich mich zu Tode langweilen.«
Miranda dachte an die traurigen Augen seiner Ehefrau. Diese Wahrheit weigerte er sich anscheinend zu sehen. Weil er vielleicht die Erkenntnis nicht ertragen würde, wie weh er ihr tat.
Plötzlich geriet die Gästeschar in helle Aufregung. »Eleutherios? Hier?«
Werstons Mundwinkel zuckten, und in diesem Moment erinnerte er Miranda an seinen Sohn. Dann schauten beide zum Eingang des Saales, wo soeben ein Mann mit hellbraunem Haar auftauchte. Viel mehr war von hinten nicht zu sehen, obwohl sie neugierig den Hals reckte.
»Gefallen Ihnen seine Werke?«, fragte der Marquess.
»O ja.« Miranda beobachtete, wie der umschwärmte Autor in einem Raum zur Rechten verschwand, und das Stimmengewirr sank zu atemlosem Getuschel herab.
»Anfangs fand ich ein Lehrbuch über die richtige Verführung albern und dachte, dieses Talent müsse einem in die Wiege gelegt worden sein«, erklärte Werston. »Inzwischen habe ich meine Meinung geändert.«
»Und?«
»Eigentlich wollte ich mich heute Abend als Eleutherios kostümieren.« Er lachte über Mirandas entsetzte Reaktion. »Aber Maxim hätte mich ermordet oder meine gesellschaftliche Ächtung erwirkt.«
»Wie kamen Sie überhaupt auf diese Idee?« Den Gedanken, er könnte Eleutherios sein, verwarf sie sofort.
»Nur so zum Spaß. Ich selbst kann mit der Feder nicht besonders umgehen.« Er musterte seinen Sohn, dann schaute er zu der Tür hinüber, durch die sich der Schriftsteller entfernt hatte. »Dennoch bewundere ich jeden, der dazu fähig ist. Und ich liebe Romane. Manchmal drängt es mich sogar, trotz meiner mangelnden Begabung eine romantische Geschichte so zu ändern, wie es mir gefällt.«
Miranda fragte sich, ob es in dieser Familie überhaupt völlig normale Leute gab.
»O ja, ich möchte meiner Fantasie freien Lauf lassen.« Er lachte wieder. »Gerade jetzt, wo Maxim mir mehr oder weniger verboten hat, so weiterzumachen … Nun, vielleicht habe ich es damit wirklich zu sehr übertrieben. Mein Leben lang war ich auf der Suche nach der wahren Liebe, ohne sie jemals zu finden. Deshalb fühle ich mich verpflichtet, wenigstens
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