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Suess und ehrenvoll

Suess und ehrenvoll

Titel: Suess und ehrenvoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Avi Primor
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»komm ins Bett, dort gibt es keinen Krieg und keinen Ärger, komm, mein Liebster.«
    Sie umarmte ihn heftig und begann, ihm die Kleider vom Leibe zu streifen. Aber es dauerte eine ganze Weile, bis seine innere Spannung sich löste und er den Krieg vergaß.
    Am nächsten Morgen sprachen sie nicht mehr über den Krieg. Stattdessen machten sie Zukunftspläne. Der Krieg würde früher oder später zu Ende gehen. Und dann kam ein viel größerer Kampf – sie mussten sich gegen die Eltern durchsetzen.

31
    F RANKREICH
— 1918 —
    Bei allem Schmerz über den Abschied von Karoline empfand Ludwig eine gewisse Erleichterung, als er an die Front zurückkehrte. Er war beinahe dankbar, der bedrückenden Stimmung in der Heimat entronnen zu sein. Im Vergleich dazu war die Stimmung bei den Soldaten geradezu optimistisch. Große Ereignisse schienen ihre Schatten vorauszuwerfen. Sie alle hatten das Gefühl, dass Dramatisches bevorstand, ein Umschwung, der das Kriegsglück wenden würde. Diese Atmosphäre flößte Ludwig Mut und Zuversicht ein. Wie es weitergehen würde, wusste niemand zu sagen, doch die erwartungsvolle Spannung hob die Moral der Truppe.
    Und tatsächlich begann nach einer zermürbenden Wartezeit im März endlich die große deutsche Offensive. Erst an der Somme, dann an der Lys stürmten, unterstützt von sechstausend Geschützen, anderthalb Millionen deutsche Soldaten voran und durchbrachen die französischen und englischen Linien. Der Stellungskrieg schien noch einmal in einen erfolgreichen Bewegungskrieg überzugehen. Bald würde Paris fallen und der Krieg zu Ende sein. Der Endsieg schien zum Greifen nahe. Ludwigs Herz schlug höher. ›Diesmal‹, dachte er, ›wird unsere siegreichen Truppen nichts aufhalten, auch nicht die paar Amerikaner, die jetzt in Frankreich eintreffen. Zu wenig und zu spät, ihr Yankees …‹ Er lächelte spöttisch.
    Die Euphorie hielt aber nur ein paar Wochen an. Dann wendete sich das Blatt. Wie zu Beginn des Krieges gelang es den Franzosen erneut, die Deutschen an der Marne zu stoppen. Und am 8. August begann die Hundert-Tage-Offensive der Alliierten. Die Deutschen mussten sich auf die »Hindenburglinie« zurückziehen. Generalstabschef Ludendorff befahl, beim Rückzug die Taktik der verbrannten Erde anzuwenden. Alles, was dem Gegner irgendwie nützen konnte, wurde zerstört und verbrannt. Weite Landstriche in Frankreich und Belgien wurden verwüstet. Ludwig war schockiert. Hatte der Generalstab die Hoffnung auf die Rückeroberung dieser Gebiete aufgegeben?
    Die Stimmung verschlechterte sich zusehends. Der Nachschub wurde drastisch gekürzt. So kalt wie der Winter gewesen war, so heiß und stickig wurde der Sommer. Ein verfluchtes Jahr, so sagten viele. Die von der Armee entfachten Brände machten die Hitze unerträglich und erschwerten das Atmen. Unter diesen Umständen konnte man dem Bewegungskrieg nichts mehr abgewinnen. ›Ein Bewegungskrieg ist nur dann gut, wenn es vorwärtsgeht‹, dachte Ludwig.
    Eines Nachts erhielt Ludwigs Bataillon den Befehl, sich von der Division abzusetzen. Am nächsten Morgen wies der Bataillonsführer die Soldaten ohne weitere Erklärung an, eine Reihe von Lastwagen zu besteigen. Ludwig entging natürlich nicht, dass sie Richtung Süden fuhren, während alle übrigen Einheiten der Division weiter nach Norden zogen. Die Fahrt war eine einzige Tortur. Zu der quälenden Ungewissheit über Ziel und Zweck der Reise kamen unangenehmste Bedingungen. Die Wagen holperten und schwankten, sodass die Soldaten hin und her geworfen wurden und Prellungen am ganzen Körper erlitten. Am schlimmsten war es, wenn die aus Mangel an Kautschuk völlig reifenlosen, eisenbeschlagenen Wagen über Schlaglöcher und Gruben hinwegpolterten und die Soldaten mit den Köpfen an die Decke stießen. Die Helme bewahrten sie vor ernsten Verletzungen, doch nicht vor Kopfschmerzen und Benommenheit. Ludwigs Abteilung war nicht die einzige, die aussteigen musste, weil ihr Wagen unter ihnen zusammenbrach.
    Schließlich marschierte das ganze Bataillon zu Fuß weiter.
    Nach einem stundenlangen Marsch wurde das Zeichen gegeben, unter freiem Himmel zu kampieren. Jede Abteilung wurde in drei Gruppen aufgeteilt: Eine durfte schlafen, die zweite musste Wache halten und die dritte provisorische Stellungen ausheben.
    Erst hier erfuhren die Soldaten das Ziel ihrer Sondermission: Ludwigs Bataillon sollte die Nachhut bilden und den Feind möglichst auf Distanz halten, damit die Division sich sammeln

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