Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
Sie?«
»Nein«, hauchte Marissa.
Sein Daumen musste sich von allein weiterbewegt haben, denn als sie sprach, strich er über ihre Unterlippe. Ihre Atmung wurde schneller. Jude blickte ihren Mund mit der Faszination eines hungrigen Raubtiers an. »Ich bin kein Junge. Der bin ich schon lange nicht mehr. Und ich war nie hübsch, folglich wäre es sinnlos, auf anderes zu hoffen. Aber einen Mann zu lieben, das hat auch große Vorzüge. Entscheiden Sie, was Sie vorziehen. Jüngling …?«
Eine winzige Handbewegung bewirkte, dass sein Daumen über der Linie war, an der ihre Lippen aufeinandertrafen.
»Oder Mann?«
Als sie den Mund öffnete, fühlte Jude einen quälend verlockenden Hauch von Hitze, Feuchtigkeit und Versprechen. Er strich sanft mit dem Daumen über ihre Lippen bis zu ihrer Wange.
Sie atmete noch schneller und neigte sich zu ihm hin. Jude lächelte. »Darf ich Sie nun zum Abendessen begleiten?«
»Wie bitte?« Die beiden kleinen Worte klangen wie pure Zärtlichkeit. Marissas Lider senkten sich schläfrig, als Jude die empfindliche Stelle unter ihrem Ohr berührte.
»Es ist Zeit zum Abendessen, mon cœur .«
»Ist es?«
Sobald er seine Hand zurückzog, blinzelte Marissa und wich zurück, als fiele ihr wieder ein, dass sie ihn nicht mochte.
»Kommen Sie. Wir müssen Theater spielen.«
Sie zögerte einen Moment, musterte Jude flüchtig von oben bis unten und legte ihre Hand auf seinen Arm, um sich zurück ins Haus führen zu lassen. Diesmal ruhten ihre Finger entspannter auf seinem Unterarm, und Jude betrat den Speisesalon mit einem Lächeln, das den jungen Burschen sichtlich nervös machte.
Wahrscheinlich würde der Kerl Marissa heute Abend mindestens zweimal zum Tanz auffordern, und Jude würde ihnen zusehen. Er hatte nichts dagegen, dass Marissa sich amüsierte, solange ihr Abend mit ihm endete.
Kapitel 5
D as Musikzimmer war zum Tanz umgeräumt worden, weil der Ballsaal für so wenige Gäste zu groß war. Marissas Mutter setzte sich auf einen Stuhl nahe dem Piano und wartete, dass die Herren hereinkamen. Der Musiker am Klavier spielte eine heitere Melodie, doch Marissa beobachtete ihre Mutter stirnrunzelnd. Lady York gefiel es nicht, dass die Herren noch beim Portwein im Speisesalon saßen. Ihrer Ansicht nach verzögerte sich dadurch der vergnügliche Teil des Abends unnötig. Und schließlich gab sie sich redliche Mühe, die Abende in ihrem Haus unterhaltsam zu gestalten.
Lady York bildete sich einiges darauf ein, die angenehmsten Hausgesellschaften im ganzen Land auszurichten, und zwar fast eine ganze Woche lang anstelle der üblichen drei Tage. Das York-Anwesen war bekannt für seine Tanzabende und Gastspiele reisender Theatertruppen während der Jagdsaison. Lady York engagierte Musiker für jeden Abend, und wenn nicht getanzt wurde, plante sie Kartenspiele oder Scharaden. Heute Abend aber sollte getanzt werden.
Das Musikzimmer war groß genug, dass mehrere Paare tanzen konnten, und der Fiedler war bereit, doch es fehlten noch etwa zwanzig Herren.
Endlich waren tiefe Stimmen zu hören, und die ersten Männer kamen herein.
Jude war nicht bei ihnen. Marissa reckte sich, konnte ihn aber auch nicht in der Diele entdecken. Sie hatte keine Ahnung, warum sie nach ihm Ausschau hielt. Immerhin hatte er ihr beim Essen gegenübergesessen; da hatte sie ihn doch schon betrachten können. Allerdings war eine Unterhaltung unmöglich gewesen, und Marissa ertappte sich dabei, wie sie überlegte, was er zu der Dame rechts von sich gesagt haben könnte, das sie so zum Lachen brachte. Und warum hatte ihn die Dame zu seiner Linken mit solch strahlenden Augen angesehen und immer wieder seinen Arm berührt, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken?
Das ergab überhaupt keinen Sinn. Er war weder gut aussehend noch elegant. Und er besaß keinen Titel. Andererseits war er interessant. Faszinierend sogar.
Was hatte er wohl damit gemeint, dass er ein Mann sei? Peter White war mit seinen siebenundzwanzig Jahren schließlich auch kein Junge mehr.
»Miss York«, sagte eine Stimme ganz in der Nähe, sodass Marissa zusammenzuckte und sich erschrocken umdrehte.
Ein Herr stand hinter ihr, aber es war nicht der, auf den sie wartete. »Mr Dunwoody«, sagte sie mit einem matten Lächeln. Mr Dunwoody hatte zu Anfang der Woche noch weit oben auf ihrer Liste potenzieller Liebhaber rangiert. Leider war White weniger höflich und dafür hartnäckiger gewesen.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen, Miss York?«
»Ja,
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