Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
Samuel.«
»Miss Samuel«, sagte er. »Es ist mir eine Ehre.«
»Mr Bertrand«, murmelte sie hörbar erschrocken.
»Wenn Sie mich entschuldigen wollen. Ich nehme an, Sie haben vieles zu bereden.«
Beide sahen ihm nach. Schließlich schüttelte Beth den Kopf. »Gütiger Himmel, der Mann ist ziemlich angsteinflößend.«
»O ja, ich schätze, das ist er.«
»Warst du mit ihm ausreiten?«
»Ja.« Deutlich spürte sie Beths neugierigen Blick, doch es war ihr schlechtes Gewissen, das sie herausplatzen ließ: »Er ist sehr nett.«
Beth zog sie zur Treppe. »Komm, gehen wir in dein Zimmer. Du hast mir seit einer Woche nicht geschrieben. Ich will alles wissen, was du angestellt hast.«
Dies hielt Marissa für eine denkbar schlechte Idee, gab jedoch vor, ihr zuzustimmen.
»Wie viele Anträge hast du noch bekommen?«
Marissa lachte zu laut und überhäufte die Freundin mit Fragen nach ihrer Mutter, damit Beth redete und sie nichts sagen müsste. Ihr stand nicht der Sinn danach, über die vergangene Woche zu sprechen. Vor allem wollte sie nicht über Jude reden, denn Beth würde es nicht verstehen.
Marissa verstand es ja selbst nicht.
Das Abendessen war wunderschön, weil Beth da war, mit der sie plaudern konnte. Und Jude war nahe genug, dass sie hin und wieder ein Lächeln austauschen oder ein paar Worte wechseln konnten.
Nach dem Essen hakte Marissa sich bei Beth ein und zog munter mit ihr ins Musikzimmer. Sie war der festen Überzeugung, dass dieser Abend nur noch besser werden konnte. Sie irrte.
Beim Essen hatte Beths Cousine so weit weg gesessen, dass es ein Leichtes war, sie zu ignorieren. Jetzt war das nicht mehr möglich. Nanette hielt auf ihrem Stuhl nahe der Tür Hof.
»Meine liebe Marissa!«, flüsterte sie. »Ich bin so froh, wieder Zeit mit dir verbringen zu können. Dieses Jahr war entsetzlich öde, so eingesperrt im Haus.«
Marissa biss die Zähne zusammen und setzte ein gekünsteltes Lächeln auf. Nanette lebte seit vier Jahren bei Beths Familie, und die beiden Frauen sollten sich eigentlich nahe wie Schwestern stehen, zumal sie auch noch gleich alt waren. Doch obwohl die Samuels Nanette nach dem Tod ihres Vaters bei sich aufnahmen, behandelte sie die Verwandten von oben herab. Immerhin war ihre Mutter die Schwester eines Grafen gewesen, und sie selbst war eine Erbin.
»Tante Samuel musste mir versprechen, wieder gesund zu werden. Wir dürfen nicht noch eine Saison versäumen! Und wir waren natürlich auch sehr besorgt.«
»Natürlich.«
Nanette beugte sich verschwörerisch vor. »Habe ich dir erzählt, dass Vicomte Farington mir Lilien schickte, als er erfuhr, dass ich nicht zur Ballsaison nach London komme?«
»Hm«, summte Marissa. Mehr wollte sie dazu nicht äußern, denn sie wusste, dass der Vicomte die Blumen an beide, Beth und Nanette, geschickt hatte. Doch es wäre sinnlos, das zu erwähnen. Nanette würde bestenfalls sagen, der Vicomte hätte selbstverständlich nicht unhöflich erscheinen wollen.
Beth setzte sich schweigend neben ihre Cousine.
»Nun«, sagte Marissa, »ihr habt diese Londoner Saison leider beide versäumt. Aber, Beth, hatte ich schon erwähnt, dass Mr Dunwoody gestern nach dir fragte?«
»Hat er?«
»Erinnerst du dich an ihn? Er sagt, ihr wärt euch erst ein Mal begegnet.«
»Sicher erinnere ich mich an ihn. Wir haben getanzt. Was für ein eleganter Gentleman.«
»Das ist er. Neuerdings ist er mein Lieblingstanzpartner.«
Nanette lachte glockenhell. »Ich frage mich, ob er mich auch zum Tanz bittet. Dann könnte ich mich davon überzeugen, wie elegant er wirklich ist.«
Marissa runzelte die Stirn, konnte sich aber gerade noch beherrschen und nicht die Augen verdrehen.
Lange würde sie ihren Ärger jedoch nicht bändigen können; deshalb war sie auch erleichtert, als sie die Herren kommen hörte. Fortan wäre Nanette einzig damit beschäftigt, die Männer zu betören, und würde die Frauen in Ruhe lassen.
Marissa neigte sich zu Beth und flüsterte ihr zu: »Ich hoffe, du bist bereit, viel zu tanzen, solange du hier bist, denn Mr Dunwoody konnte deine Ankunft kaum erwarten.«
Beths Wangen färbten sich tiefrosa, was gut war, denn sie hatte bis eben noch recht blass ausgesehen. Nun wirkte sie weniger wie eine junge Dame, die ein Jahr am Bett ihrer Mutter gewacht hatte.
Marissa wartete ungeduldig auf Mr Dunwoodys Erscheinen, was sie indes schon bald vergaß und stattdessen Jude beobachtete. Würde er heute Abend Gentleman oder Filou sein? Würde er ihr
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