Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
glücklich zu sein.
»Mein Bruder«, murmelte sie Jude zu. »Ich bin froh, dass Sie ihm ein Freund sind.«
»Was meinen Sie?«
»Er war zu lange ausschließlich in Harrys Gesellschaft, und das war nicht gut für ihn.«
»Aha. Ich schätze, dass ich zu viele der Liebe geschuldete Tragödien erlebt habe, weshalb ich seine Geschichte nicht romantisch finden kann. Und aus diesem Grund mag er mich.«
Marissa nickte. Die ganze feine Gesellschaft schien zu denken, dass Aidan nichts als eine tragische Gestalt war, die man als Gesprächsthema bei Dinnerpartys nutzen konnte: ein junger, gut aussehender Junggeselle mit einer Vergangenheit, die Damen vor Entzücken halb ohnmächtig werden ließ. Die Liebe seines Lebens wurde ihm vom grausamen Tod entrissen, und er trauerte bis heute um sie. Welches zarte Gemüt könnte einer solchen Geschichte widerstehen?
Aidan hasste sie alle.
»Sie sind ihm ein guter Freund, soweit ich weiß.«
»Nun, wir haben gemeinsame Interessen. Er hat seine Schiffe, mein Vater seine Investitionen, also bewegen wir uns oft in denselben Kreisen.«
»Ach ja? Arbeiten Sie für Ihren Vater? Das wusste ich gar nicht.«
»Ja, tue ich. Er mag es, hin und wieder nachzuschauen, wie er sein Vermögen investiert, und ich genieße es, mir auf derlei Weise die Zeit zu vertreiben. Müßiggang ist aller Laster Anfang, nicht wahr?« Er sah zu ihr. »Vielleicht brauchen Sie mehr als Stickarbeiten, um sich zu beschäftigen.«
»Ah, was Sie nicht sagen!« Sie wollte es dabei belassen, nur stellte sie fest, dass sie sich weiter zu ihm neigte, weil sie neugierig war, mehr von diesem Mann zu erfahren. Hastig richtete sie sich wieder auf und versuchte, weniger fasziniert auszusehen. »Wohin reisen Sie auf den Schiffen?«
»Nun, häufig nach Frankreich, aus offensichtlichen Gründen. Und überhaupt nach Europa – Italien, Spanien, Portugal. Konstantinopel ist natürlich auch sehr reizvoll.«
»Konstantinopel? Dort waren Sie?« Es war unmöglich, ihre Aufregung zu verbergen, also versuchte sie es gar nicht erst. Einen solch exotischen Ort konnte sie sich nicht einmal vorstellen.
»Ja, war ich.« Er sah sie an, und seine Augen blitzten amüsiert. »Falls wir heiraten, dürfen Sie mich gern auf meinen Reisen begleiten. Ich würde das Osmanische Reich mit Freuden wieder besuchen.«
Seine Worte erschreckten und begeisterten sie, sodass sie mehrmals blinzelte. »Wirklich? Ich … Ich habe gar nicht bedacht … Glauben Sie, es würde mir gefallen?«
Sein Lächeln bekam eine schelmische Note. »Sie würden es lieben.«
Marissa errötete. In seinem Tonfall schwangen viel Bewunderung, Stolz und Wissen um ihr wahres Wesen mit. Wie konnten solche simplen Worte bewirken, dass sie nervös und dass ihr übertrieben heiß wurde? Marissa hielt die Zügel zu straff und rutschte unruhig auf ihrem Sattel herum, was zur Folge hatte, dass Cleopatra ängstlich zur Seite tänzelte, bevor sie wieder in einen leichten Schritt zurückfiel.
Unsicher schluckte Marissa und trieb die Stute in einen Trab. Am liebsten wäre sie galoppiert, doch dafür war das Pferd noch nicht warm genug – was man von Marissa sehr wohl behaupten konnte. Gespräche über Reisen erhitzten sie sonst nicht so ungewöhnlich. Aber bei Jude Bertrand war alles so anders , unerwartet faszinierend. Wie schaffte er es, dass sie sich nach Dingen sehnte, die sie gar nicht wollte?
Im Moment, zum Beispiel, starrte sie angestrengt zum Horizont und zählte die Sekunden, bis sie endlich in einen vollen Galopp wechseln durfte. Die alte Kirche war nur wenige Meilen entfernt, und dort wäre sie mit Jude allein. Sie würden absteigen und durch die Ruine wandern, wo sie hinter halb eingestürzten Mauern und überwucherten Obststräuchern für sich wären. Nicht einmal Spaziergänger, die an der Kirche vorbeikamen, könnten sie sehen.
Und sicher würde er sie küssen.
Endlich.
Marissa ermahnte sich, dass sie ihn erst seit zwei Tagen kannte. Und dann trieb sie ihre Stute in einen Galopp.
Kapitel 8
N ichts.
Er hatte überhaupt nichts getan. Kein Kuss, kein zufälliges Streifen ihrer Hüfte. Kein augenzwinkernder Vorschlag, dass sie seine Beine abermals erforschte, da sie weit weg vom Herrenhaus waren.
Den gesamten Ausritt über war Jude ein vollkommener Gentleman gewesen, und nun trotteten ihre Pferde munter die letzten Meter zurück nach Hause.
Marissas Gedanken indes waren bei Weitem nicht die einer Dame gewesen. Sie fand immer noch nicht, dass er ein attraktiver Mann
Weitere Kostenlose Bücher