Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
verdächtig erscheint.«
»Der heutige Abend kann sich äußerst schlecht für Sie auswirken«, fügte Edward hinzu. »Ihnen könnten mindestens einige Jahre Gefängnis drohen. Sagen Sie uns allerdings den Namen Ihres Auftraggebers, könnte es ein gutes Ende nehmen.«
Die junge Frau blickte mit großen Augen auf, schien jedoch schlau genug, um den Bluff zu erkennen, denn abermals schüttelte sie den Kopf. In Wahrheit würde es für sie so oder so schlecht ausgehen. Falls ihr Herr sie feuerte, weil sie ihn verraten hatte, wäre sie ohne Arbeit und Brot, egal, ob sie ins Gefängnis ging oder nicht.
Jude betrachtete sie nachdenklich. Ihm fielen ihre vollen Lippen auf. Überhaupt war sie hinreichend hübsch, dass es hier eventuell nicht um ihre Stellung ging.
Ein letztes Mal bezog er Harry in den Kreis der Verdächtigen mit ein. »Vielleicht sprechen wir hier nicht von ihrer Herrschaft, sondern von ihrem Liebhaber.« Sie schien verwirrt. »Nein, das ist es nicht. Ihr Komplize ist nicht ihr Liebhaber, also steckt womöglich eine Frau hinter allem.«
»Ah«, murmelte Aidan, als die junge Frau blass wurde. »Offenbar hast du recht.«
Sie presste die Lippen zusammen und senkte den Kopf. Fortan weigerte sie sich, auf die Fragen zu antworten, mit denen die drei Männer sie bombardierten.
»Nun« – Edward seufzte – »es muss jedenfalls mit einem von euch beiden zu tun haben.«
»Was?«, murrte Aidan, während Jude sich erneut fragte, ob Patience diese Schwierigkeiten verursachte. Aber er war sich beinahe sicher, dass so etwas nicht zu ihr passte. Von seiner Mutter hatte er das Talent geerbt, Menschen recht schnell und sicher einschätzen zu können. Ihr kam diese Gabe in ihrem Gewerbe zugute, denn für Damen wie sie konnte es über Leben und Tod entscheiden, den richtigen Mann auszuwählen.
»Was meinst du?«, fragte Aidan und stupste Edward mit dem Fuß an.
Edward lachte. »Wenn eine Frau darauf aus ist, unsere Familie zu vernichten, deuten alle Indizien auf dich.«
»Das ist ja wohl …«
»Ruhe!«, rief Jude über Aidans erhobene Stimme hinweg. »Edward hat recht, dass es um einen von uns beiden gehen kann, aber vergessen wir nicht, auf wen diese Intrige zielt, nämlich auf Marissa. Falls eine Frau dahintersteckt, kann sie auf die unterschiedlichsten Arten zu ihrem Wissen gelangt sein.«
Ihre Brüder wechselten nervöse Blicke.
»Ich spreche von Besuchen, Kleiderproben, Bädern im Teich und …«
»Oh«, unterbrach Edward ihn. »Natürlich.«
»Und wie finden wir es heraus?«, fragte Aidan.
Alle drehten sich zu der jungen Frau um, und während die drei Männer sie schweigend ansahen, kehrten Judes Gedanken zu Marissa zurück. Als er beim Tanz mit Corrine bemerkt hatte, wie sie ihn beobachtete, wusste er sofort, dass es eine schlechte Idee gewesen war, sie mit Corrine reizen zu wollen. Der Tanz selbst war ein munterer Walzer durch ihre gemeinsamen Erinnerungen gewesen. Jude hatte ihn genossen, was zur Folge hatte, dass ihn nun brennende Schuldgefühle plagten.
Er hatte vorgehabt, ihren Stolz zu treffen, aber in ihren Zügen hatte sich mehr als Empörung gespiegelt. Da war Kummer gewesen: Kummer, den er verursachte.
Und jetzt schämte er sich. Wegen derselben Eigenarten, die er immer an ihr gemocht hatte – das wilde, freie Gemüt, das so wenig zu ihrem kühlen Auftreten passen wollte –, begann er neuerdings, sie zu verachten. Er konnte ihr schlecht vorwerfen, dass sie verwirrt war. Vor Tagen noch hatte er sie geneckt, weil sie eine Vorliebe für hübsche Jünglinge hatte, und nun warf er es ihr vor und nannte sie oberflächlich.
Wäre seine Mutter hier, würde sie angewidert den Kopf in den Nacken werfen und ihn einen Narren schimpfen. Womit sie recht hätte.
Er richtete seine Wut, die er auf sich selbst hatte, nun gegen die junge Frau, die Marissa schaden wollte. »Wir sind fast auf dem York-Anwesen. Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit zu gestehen. Wenn wir angekommen sind, werde ich persönlich den Gendarmen holen, dann werden andere alles Weitere entscheiden.«
Zwar holte sie zittrig Luft, schwieg aber beharrlich weiter.
»Sagen Sie uns, wer Ihre Herrin ist, und wir lassen Sie gehen.«
Sie schüttelte den Kopf, während die Kutsche langsamer wurde und schließlich anhielt.
»Wir sind da«, murmelte Edward. »Bringen wir sie ins Haus und überlegen, was wir als Nächstes tun. Sollte das Fehlen des Mädchens allerdings aufgefallen sein, kann es schon zu spät sein.«
Jude stieg aus der Kutsche
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