Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
bewegte. Er trat ans Fenster und sah hinaus in die Dunkelheit, ihnen den Rücken zugewandt. Sie wollte ihm nachgehen und ihn fragen, ob er ihr verzeihen könnte. Nur war dies nicht der Zeitpunkt für solch ein Gespräch, so gern sie auch näher bei ihm wäre.
Stattdessen machte sie ungeduldig einen Schritt auf die junge Frau zu und wollte ihr die Kapuze vom Kopf ziehen, doch die Frau quiekte und hielt den Stoff fest. »Oh, um Gottes willen«, fauchte Marissa. »Lassen Sie sich ansehen!«
Ein Wimmern drang aus dem Umhang.
Edward sagte: »Das ist seltsam. Bei uns hat sie sich nicht so gewehrt.« Er stellte sich neben Marissa.
Ihr kam ein Gedanke. »Sie ist eine Bedienstete, sagst du?«
»Ja, das glaube ich.«
Marissa atmete tief ein. »Nimm die Kapuze ab«, befahl sie noch einmal. Die junge Frau schüttelte den Kopf, und Marissa seufzte: »Nimm sie ab, Tess, oder ich lasse dich von den Herren festhalten und ziehe sie selbst herunter.«
Die kleine Gestalt erstarrte, während Edward verwundert zu Marissa sah. »Tess?«
»Myladys Zofe, die letzten Monat plötzlich verschwunden war, weißt du noch? Wir mussten eine neue einstellen.« Edward machte nicht den Eindruck, dass er etwas verstand, doch als Marissa abermals nach dem Umhang griff, glitt die Kapuze aus den Fingern des Mädchens und enthüllte das braune Haar.
»Tess.« Marissa stöhnte. Es war ihre Zofe, was die Beschreibung des Geburtsmals auf ihrem Schenkel erklärte. Ihr beschämendes Geständnis war gänzlich überflüssig gewesen, auch wenn es vermutlich Peter White das Leben rettete – was immer es wert sein mochte.
»Wie konntest du das tun?«
Tränen liefen der Zofe über die Wangen, und sie schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Miss.«
»Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Mutter sagte, du wärst wahrscheinlich weggelaufen, um zu heiraten, aber ich fürchtete, dass dir etwas Schreckliches zugestoßen wäre.«
»Ich wollte Ihnen nicht schaden«, flüsterte Tess.
»Nun, das hast du.«
»Es tut mir leid! Es … sie …« Tess biss sich auf die Unterlippe und senkte den Kopf.
»Wer?«, fragte Marissa barsch. »Hat dich jemand hierfür bezahlt? Wer ist es?«
Tess schluchzte und sagte nichts mehr. Marissa nahm an, dass sie ihre Unnachgiebigkeit bewundert hätte, wäre die Situation eine andere. Aber hier und jetzt fühlte sie sich viel zu sehr verraten, zumal sie sich um dieses Mädchen geängstigt hatte. Also straffte sie ihre Schultern und bemühte sich, klar zu denken, was ihr leider unmöglich wurde, als sie bemerkte, dass Jude neben ihr stand.
»Geht es Ihnen gut?«, murmelte er, und als sie sich zu ihm drehte, breitete er die Arme aus. Auf einmal war sie vollständig von ihm umfangen, sodass es für einen Moment nichts anderes zu geben schien als die Geborgenheit in Judes Umarmung, eingehüllt von seinem würzigen Duft. Seine Lippen streiften ihr Haar, was ein Kribbeln in ihrem Nacken auslöste. Er mochte sie immer noch genug, um zumindest Mitgefühl mit ihr zu haben, und Marissa war so erschöpft, dass sie sich ungemein darüber freute.
»Es tut mir leid«, hauchte sie an seiner Brust, wohl wissend, dass er es nicht hören konnte. Dies war nicht die Zeit, deshalb ließ sie sich nur für einen Moment von ihm festhalten, sich beruhigend über den Rücken streichen und löste sich dann aus der Umarmung. Sie hätte schwören können, dass er kurz zögerte, ehe er sie wieder freigab, aber das könnte sie sich auch eingebildet haben, denn seine Miene war nach wie vor wie versteinert.
Ihre Brüder betrachteten sie sorgenvoll, dabei fühlte Marissa sich nun stärker, als sie sich erneut der schluchzenden Tess zuwandte. »Wer hat dich bezahlt, Tess? Gehe ich recht in der Annahme, dass du bezahlt wurdest und es nicht bloß getan hast, weil du mich nicht ausstehen kannst?«
»Natürlich nicht!«, antwortete die Zofe entgeistert. »Ich … ich kann nicht mehr sagen. Ich kann nicht!«
»Warum? Erzähl uns, wer es war, und geh. So einfach ist es. Noch ist kein Schaden angerichtet.« Es gelang ihr, diese Lüge ziemlich überzeugend auszusprechen, wie Marissa fand.
»Ich kann nicht!«, jammerte Tess. Marissa verstand die Unnachgiebigkeit der Zofe nicht. Was hatte sie zu verlieren? Wurde sie bedroht? Aber womit könnte man einer Zofe drohen?
»Es ist zwecklos«, murmelte Aidan.
Edward stimmte ihm zu. »Sie nutzte Informationen, die sie während ihrer Stellung hier gewann, um dich zu erpressen, Marissa. Den Gendarmen dürfte das
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