Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
zu stürmen, das wäre allerdings mehr als ungezogen. Es wäre feige.
Marissa straffte die Schultern und klopfte.
»Ja?«, antwortete Jude prompt. Seine Stimme klang streng und distanziert.
Ehe der Mut sie verließ, drehte Marissa den Türknauf und öffnete.
Jude saß am Schreibtisch, die Feder in einer Hand, und schrieb einige letzte Zeilen auf einen Bogen. Seine zusammengezogenen Brauen entspannten sich nicht, als er aufsah.
Indes war es Marissa ein gewisser Trost, dass er bei ihrem Anblick seine Schreibfeder fallen ließ. »Marissa.«
»Ich will nicht, dass Sie abreisen«, sagte sie rasch.
»Wie bitte?«
Marissa schloss die Tür hinter sich. Bei aller Grübelei hatte sie leider nicht darüber nachgedacht, was sie sagen wollte. »Ich will nicht, dass Sie abreisen«, wiederholte sie, weil ihr nichts anderes in den Sinn kam.
»Ich kann nicht ewig hier bleiben, Marissa.«
»Aber das hatten Sie doch geplant. Sie haben sich nach einem Haus in der Nähe umgesehen und wollten länger bleiben!«
Er starrte sie an, als könnte er sie nicht richtig verstehen.
»Sie wollten bleiben, und jetzt sagen Sie, Sie wären nicht wütend auf mich, reisen aber dennoch ab.«
»Weil Sie recht hatten. Es ist besser, dass ich gehe.«
»Warum?«
Er wandte sich wieder den Briefen zu und spreizte die Hände auf dem Schreibtisch. Seine Schultern hoben und senkten sich, als er langsam ein- und ausatmete. »Was wünschen Sie von mir, Marissa? Wir haben uns schon verabschiedet.«
»Was ist …« Ihr Puls schlug in einem unmöglichen Rhythmus. »Was ist, wenn ich sage, dass ich den Plan noch einmal überdacht habe.«
»Welchen Plan?« Die Frage klang ungeduldig. Er wollte, dass sie verschwand, doch sie ging drei Schritte auf ihn zu.
»Den Plan. Meinen Plan. Ihre Idee war viel besser, finde ich, unsere Verbindung wie eine richtige Verlobung zu behandeln.«
»Marissa …« Er stützte den Kopf in die Hände, wobei er die Finger in seinem Haar vergrub. »Ich bin nicht gewillt, dieses Rätsel heute Nacht zu entschlüsseln. Dafür bin ich zu erschöpft.«
»Aber morgen reisen Sie ab, und dann … dann ist es zu spät.«
»Zu spät wofür?«
Es war leichter, sich ihm zu nähern, solange er sie nicht beobachtete. Marissa machte noch einige Schritte auf ihn zu und bemerkte, wie sich sein Rücken anspannte. Aber er sah nicht zu ihr. Er wappnete sich, als erwartete er einen Schlag.
»Zu spät für mich, mich zu entschuldigen. Ich …«
»Sie haben sich bereits entschuldigt, und ich sagte, dass es auch mir leidtut. Können wir nicht …«
»Aber«, fiel sie ihm ins Wort, »ich habe mich nicht für meine Dummheit entschuldigt. Für meine Blindheit. Jude, ich möchte nicht, dass Sie gehen.« Kühn legte sie die Hände auf seine Schultern. »Bleiben Sie.«
Sein Kopf neigte sich etwas tiefer, als kapitulierte er vor ihr. »Zu welchem Zweck? Ihre Spiele werden zu gefährlich. Ich wollte Sie nicht zu Indiskretionen verleiten. Ich habe versucht …«
Sie glitt mit einer Hand höher. Er trug weder Krawatte noch Jacke, sodass sein Hals unbedeckt war. Und er war so warm, beinahe fiebrig. Marissa legte ihre Finger auf seine Muskeln. »Was versucht?«, flüsterte sie.
Jude schüttelte den Kopf.
Das konnte sie ihm nicht vorhalten. Zudem war sie hier, um ihn zu überreden, also sollte sie diejenige sein, die redete.
»Jude? Ich möchte … ich wünsche mir, dass Sie bleiben, weil ich glaube, dass ich Sie liebe.«
Sie spürte, wie er zusammenzuckte, doch als er sprach, schwang kein Hauch von Emotionen in seiner Stimme. »Sie irren sich.«
»Nein, ich irre mich nicht.«
»Sie haben entschieden, dass Sie mich jetzt lieben könnten, weil das Drama vorbei ist und ich abreise. Das ist der einzige Grund.«
»Nein.«
Er drehte sich abrupt um. »Sie lieben mich nicht, und dieses Spiel zwischen uns ist aus.«
»Für mich ist kein Spiel«, beharrte sie. Seine trotzige Miene blieb, deshalb kniete Marissa sich vor ihm auf den Teppich und ergriff seine Hand. »Jude, hören Sie …«
»Tun Sie das nicht. Stehen Sie auf.«
Sie hielt seine Hand fester. »Bei all meinen Fehlern, meiner Oberflächlichkeit, meiner Verruchtheit oder meiner Selbstsucht, wann habe ich Sie je belogen? Wann?«
»Stehen Sie auf.«
»Dies ist kein Spiel, Jude.«
Er stand auf und zog sie mit hoch. »Es ist ein Spiel. Verstehen Sie das nicht?«
Für einen kurzen Moment wurde es Marissa eiskalt, als bewegte sie sich durch einen Luftzug. »Was meinen Sie?«
Er ließ ihre Arme
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