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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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einsperren.«
    Ludmilla stellte Annie Milch mit Honig vor die Nase, platzierte dann ein Mikrofon auf dem Tisch, startete das Aufnahmegerät. Endlich antwortete das Mädchen anstandslos: »Also
gut, wenn ihr es unbedingt wissen wollt, es ist von Beate, das Baby. Sie hat es gekriegt, und ich war dabei.«
    »Beate wer?«
    »Keine Ahnung, die hatte sich in unserem Haus versteckt. Ich meine, seit Tagen schon.«
    »Sie war schwanger?«
    »Wie sonst soll sie ein Kind bekommen haben!?«
    »Hast du sie vorher schon einmal gesehen?«
    »Nein.«
    »Wie sieht sie aus, Größe, Haare und so weiter?«
    »Genau wie ihr Kind, dunkle Haut, schwarze Haare. Etwas größer als ich, irgendwie ausländisch.«
    »Eine andere Sprache.«
    »Ja, Rumänisch vielleicht.«
    »Wie klingt das?«
    »Oder Vietnamesisch, keine Ahnung.«
    »Eine osteuropäische Asiatin namens Beate hat bei euch daheim entbunden?« Die beiden Polizisten schauten sich an, besorgt, zweifelnd: »Wie alt?«
    »So zwanzig oder dreißig, schätze ich.«
    Ludmilla fragte: »Ihr gehts gut?«
    »Ich hoffe.«
    Nun Schorschi: »Wo ist sie jetzt?«
    »Abgehauen.«
    »Wann, wohin?«
    »Gleich nach der Geburt. Sie war nicht sonderlich an ihrem Baby interessiert, wenn Sie mich fragen.«
    »Woher kennst du ihren Namen?«
    »Den hat sie mir gesagt.«
    »Was weißt du noch über sie?«
    »Nichts.«
    »Hast du sie denn was gefragt?«
    »Nein.«
    »Weshalb denn nicht?«
    »Ihr war nicht nach Reden.«
    »Hatte die Frau einen Ausweis dabei, oder Geld?«
    »Ich wühle doch nicht in fremden Sachen wie Sie!«
    Eigentlich eine gute Idee, dachte Annie. Weshalb war sie nicht darauf gekommen? Neugierig genug wäre sie gewesen, und Skrupel hätte sie nie und nimmer gehabt. Man hätte Paula mit
einer Adresse eine gepfefferte Rechnung nach Hause schicken können wegen der Bohnen.
    »Wie war die Geburt?«
    »Schnell.«
    »Warst du anwesend, hast du etwas davon mitbekommen?«
    »Mitbekommen?« Sie fühlte sich in ihrer Ehre gekränkt. »Ich habe es gemacht!«
    »Was gemacht?«
    Nun ereiferte Annie sich: »Na, es rausgeholt und die Nabelschnur durchgeschnitten und das alles.«
    In den Blicken der beiden war zu lesen, dass sie ihr nicht glaubten.
    »Weshalb hast du keinen Krankenwagen gerufen?«
    »Beate wollte das auf keinen Fall.«
    »Seit wann verstehst du Rumänisch oder Vietnamesisch? Du hättest einen Arzt verständigen müssen!«, sagte Schorschi vorwurfsvoll. »Gesetzt den Fall, das
verhält sich alles wirklich so, was du berichtest, hast du diese Frau in Lebensgefahr gebracht.«
    Ludmilla ergänzte nachdenklich: »Wenn sie nicht zu Schaden gekommen ist. Es weiß ja keiner, wo sie ist, wie es ihr geht.«
    Annie fühlte sich angegriffen: »Hab ich mir das vielleicht ausgesucht? Bin ich Hebamme?«
    Sie würde ihnen nichts erzählen von den drei Kilo, die sich nicht gerührt hatten, bis sie den kleinen Jungen auf die Welt geklopft hatte: »Sie sollten mich lieben für
das, was ich getan habe, und nicht behandeln wie einen Verbrecher. Verleihen Sie mir eine Medaille für gute Taten.«
    Schorschi schüttelte seinen Kopf: »Ich kann mir das nicht vorstellen.«
    »Was?«
    »Dass du das gemacht hast.«
    Annie setzte sich wieder an den Tisch und faltete ihre Hände auf der Platte: »Da kam noch was raus, sah aus wie eine Qualle.«
    »Ein zweites?« Nun waren die Polizisten schockiert.
    »Es hatte nicht mal ein richtiges Gesicht, bloß eine Art Schnorchel.«
    Sie tuschelten, dann fragte Schorschi mit Kinderstimme: »Wo ist denn das zweite jetzt?«
    »Ich hab es in die Waschküche gestellt. Täterwissen, ne?« Annie war stolz auf sich, sie musste schließlich darauf achten, hier keine Vorstrafe wegen unterlassener
Hilfeleistung zu kassieren, sonst konnte sie ihre Bewerbung bei der KTU vergessen.
    Eine Polizistin in Uniform brachte sie in einen anderen Raum zu einer Frau mit Pferdeschwanz, die drauf und dran war, mit ihr Karten zu spielen. Annie lehnte ab, entdeckte
nebenan eine Toilette, konnte sich dort erleichtern und war endlich einige Minuten allein.
    Sie bemerkte, dass ihre Fingernägel sich ihren Stimmungen anzupassen schienen. Mal waren sie fest und konnten wunderbar kratzen, dann wieder, wie in diesem Moment bei der Polizei und an den
mühsamen Tagen ohne Schlaf, brachen sie alle gleichzeitig ab. Dieses Phänomen fand Annie seltsam. Sie fragte sich, ob andere Menschen ähnliche Erfahrungen machten, ob also
tatsächlich nur besonders traurige oder überforderte Leute ins Nagelstudio gingen.

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