Süße Fesseln der Liebe
Lächeln wirkte nicht die Spur triumphierend, als sie sich von den übrigen Gästen und der Gastgeberin verabschiedete. Das Blut pulsierte ihr aufgeregt durch die Adern, als sie mit Jemmy nach Hause fuhr. Sie fragte sich, wie es ihr nur hatte gelingen können, das respektable Alter von dreißig Jahren zu erreichen, ohne jemals diese erstaunliche Aufregung empfunden zu haben, die sie jedes Mal durchströmte, wenn sie eine Aufgabe perfekt erledigt hatte.
Lächelnd blickte sie zum Himmel, wo sich der erste schwache Schimmer der Sterne zeigte. Sie fühlte sich fantastisch, aber auch unglaublich verrückt … ein Impuls, der sie in Sekundenbruchteilen durchströmte, während sie sich stolz zu ihrem Erfolg gratulierte.
Aurelia hatte immer noch das Gefühl zu schweben, als sie das Haus in der South Audley Street betrat. Morecombe hielt sich nicht in der Halle auf, sodass sie annahm, er würde zusammen mit den Zwillingen in der Küche zu Abend essen. Hastig eilte sie zur Bibliothek, riss theatralisch die Tür auf und baute sich, die Hand auf die Hüfte gestützt, auf der Schwelle auf … nur dass der Raum leer und verlassen vor ihr lag.
Ah, das hätte ich mir denken können. Schulterzuckend wandte Aurelia sich wieder der Halle zu. Insgeheim hatte sie gehofft, dass Greville sich nach ihrem abenteuerlichen Vormittag Vorkehrungen getroffen hatte, den Abend mit ihr allein zu verbringen … Außerdem hatte sie damit gerechnet, dass er sie erwarten würde, um das Ergebnis ihres Ausflugs am Nachmittag zu erfahren. Offenbar hatte sie sich geirrt.
Zum zweiten Mal an diesem Tag machte Aurelia sich enttäuscht auf den Weg in ihr Schlafzimmer. Es liegt auf der Hand, dass ich die Bedeutsamkeit des Auftrags noch nicht ganz begriffen habe, überlegte sie und betrat das Zimmer. Es ist schließlich kein Spiel, bei dem man jubeln und sich selbst gratulieren darf, wenn man gewonnen hat. In diesem Beruf hat man nur dann das Anrecht auf solche Empfindungen, mahnte sie sich, wenn man wider Erwarten den Sieg davonträgt.
Sie hatte mit ihrem Erfolg gerechnet. Und Greville bestimmt auch. Am Vormittag hatte er ihrem Bedürfnis nach Lob und Anerkennung nachgegeben; sie war sich ziemlich sicher, dass er sich nicht immer so verhalten würde. Denn schließlich waren sie Partner, und inzwischen war sie keine Anfängerin mehr, die sich einen Fehler erlauben durfte. Deshalb konnte sie auch keine Belohnung erwarten, nur weil sie keinen Fehler machte.
Das war eine gute Lektion. Aurelia klingelte nach Hester und zog sich die Nadeln aus dem Haar. Greville würde ihre vorübergehende Schwäche und Enttäuschung nicht bemerken. Am Abend wollte sie ausgehen. Falls er vorher noch auftauchte, würde sie ihm berichten, was geschehen war. Und falls sie ihm erst später wieder unter die Augen trat, dann würde sie ihm den Nachmittag so nüchtern und kühl beschreiben, wie er es sich nur wünschen konnte.
Doch Greville war immer noch nicht aufgetaucht, als Lord David Forster kam und sie zu Almack's Assembly Rooms begleitete. Greville hatte von Anfang an unmissverständlich klargemacht, dass er andere Vorstellungen von einem unterhaltsamen Abend hegte, als mit einer Tasse Tee und einer hauchdünnen Scheibe altbackenen Brotes in der Hand müßig herumzustehen und den Paaren bei ihrem schicklichen Tanz über das Parkett zuzuschauen.
Aurelia hatte gelacht und geantwortet, dass er mit seiner Auffassung nicht allein war. Niemals würde sie erwarten, dass er sie begleitete, auch wenn sie selbst sich verpflichtet fühlte, jeden Mittwoch an dem Ball teilzunehmen.
Vor Livias Ehe mit Prinz Prokov hatte sie eine Anstandsdame gebraucht, um die Assembly Rooms besuchen zu dürfen. Andernfalls hätte sie mit der gefürchteten Strafe der Geschäftsführerin des Almack's rechnen müssen. Zusammen mit Cornelia war Aurelia ihrer Pflicht gern nachgekommen. Aber jetzt gab es keinerlei Anlass mehr, warum die beiden sich dieser Eintönigkeit noch aussetzen sollten. Nur hin und wieder tauchten sie dort auf, um sich gelegentlich in ihren Kreisen blicken zu lassen. Es war immer möglich, irgendeinen alten Freund zu bitten, sie zu begleiten, und an diesem Abend hatte Lord Forster sich bereit erklärt.
Pünktlich um zehn Uhr wartete er in der Halle auf sie, vorschriftsmäßig in makellose schwarze Seidenkniehosen gekleidet, in eine weiße Weste, einen schwarzen Mantel, weiße Strümpfe und Schnallenschuhe. Er verbeugte sich anerkennend, als Aurelia in einem Kleid mit orangefarbenen
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