Süße Herzensbrecherin
doch es wartete zu viel Arbeit auf sie. „Ich muss zurück, aber verraten Sie mir, wie es Archie geht. Hat er sich gut eingelebt bei Ihnen?“
„Das hat er.“ William erhob sich ebenfalls und bot ihr den Arm. „Er verrichtet seine Aufgaben gewissenhaft und ist gern bei den Pferden. Unser Koch hat ihn ins Herz geschlossen. Er meint, der Junge sei viel zu dünn und müsse gemästet werden. Und Archie hat tatsächlich an Gewicht zugelegt. Sie werden ihn nicht wiedererkennen, wenn Sie uns das nächste Mal besuchen.“
„Ich bin sehr froh darüber. Er hat eine Chance verdient. Ich danke Ihnen, dass Sie ihm eine lebenswerte Zukunft ermöglicht haben.“
Sie gelangten zur Kutsche, und William half ihr beim Einsteigen. „Der Spaziergang hat Ihnen gutgetan“, stellte er fest, als er ihrer rosigen Wangen und des vertrauten Leuchtens in ihren Augen ansichtig wurde. Er setzte sich auf die Bank ihr gegenüber.
„Ich fühle mich wirklich besser.“
„Gut. Cassandra, als wir uns das letzte Mal sahen, gaben Sie mir zu verstehen, dass Sie mich nie wiedersehen möchten – oder etwas in der Art“, fuhr er ernster fort. „Wenn Edward und Emma sich tatsächlich vermählen, werden Sie mich häufiger zu Gesicht bekommen, fürchte ich. Stellt das ein Problem für Sie dar?“
Ihre Blicke trafen sich, und sie sahen einander schweigend an. William hatte ihr eine schwere Last von den Schultern genommen und ihr ermöglicht, aufzuatmen. Cassandra begann ihn wieder zu respektieren und stellte fest, dass er sich äußerst geschickt in ihr Herz geschlichen hatte. Obwohl sie ihm diese schreckliche, schändliche Wette nicht verzeihen konnte, wollte sie nicht zu streng mit ihm sein.
„Nein. Nicht, wenn es erforderlich ist, dass wir uns begegnen. Es ist natürlich schrecklich für mich, aber ich gehe das Wagnis ein“, neckte sie ihn. „Wann werden Sie mit Mama sprechen?“
„Wann kehrt sie nach London zurück?“
„Das hängt von Emma ab – in einer Woche oder zwei.“
„Dann sollten wir besser nach Netherton Hall fahren. Je eher die Sache ins Rollen kommt, desto besser. Allerdings muss ich erst mit Edward reden. Gleich morgen werde ich nach Woolwich aufbrechen und ihn über unseren Plan in Kenntnis setzen. Und übermorgen machen wir uns auf den Weg zum Landsitz Ihrer Tante – so Sie sich die Zeit nehmen können.“
Nachdem er Edward in überschwänglicher Freude ob der Aussicht, seine geliebte Emma bald an den Traualtar führen zu dürfen, in Woolwich zurückgelassen hatte, fuhr William am Morgen darauf bei Cassandra vor, um mit ihr zu Lady Monktons Landsitz zu reisen. Es war ein warmer, sonniger Tag. Eine leichte Brise wehte, und kleine Schäfchenwolken zogen über den strahlend blauen Himmel.
Nach all den Widrigkeiten der vergangenen Tage fühlte Cassandra sich ungewöhnlich gelöst, als sie es sich in den Polstern der Kutschenbank bequem gemacht hatte. Sie erlaubte sich, ihren Reisegefährten unauffällig in Augenschein zu nehmen. Er trug ein cremefarbenes Hemd, darüber einen flaschengrünen Gehrock und helle Pantalons, deren Schnitt seine muskulösen Beine höchst vorteilhaft betonte. Insgesamt bot er einen ausgesprochen attraktiven Anblick, und seine Haltung wirkte lässig und ungezwungen – zu ungezwungen für meinen Seelenfrieden, dachte sie.
In der Beengtheit der Kutsche wirkte er noch größer und männlicher, als er es ohnehin schon war, und wenn er sie ansah, erschauerte sie wohlig, obwohl auch eine gewisse Arroganz von ihm ausging, da er sich seiner Anziehungskraft nur allzu bewusst war. Seine Ausstrahlung versetzte ihr jungfräuliches Herz in eine gefährliche Unruhe.
„Ein angenehmer Tag für eine Reise“, bemerkte William nach einer Weile. „Ich hoffe, Lady Monkton wird sich nicht daran stoßen, dass wir unangemeldet kommen.“
„Sie wird überrascht sein, dass wir zu zweit anreisen – um das Mindeste zu sagen –, und mich ausschimpfen, da ich die Regeln schicklichen Benehmens wieder einmal missachtet habe und uneskortiert mit einem Gentleman in einer Kutsche gefahren bin. Aber sie wird es sehr zu schätzen wissen, dass Sie so sehr darum bemüht sind, Emma zu helfen.“
„Es geht mir nicht in erster Linie um Emma“, antwortete William.
Cassandra entging sein bedeutungsvoller Blick nicht, und sie fragte vorsichtig: „Sondern?“
Ein träges Lächeln formte sich auf seinen Lippen. „Nun, darum, Sie besser kennenzulernen.“
„Ich denke, Sie kennen mich gut genug, Lord Carlow“, versetzte
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