Süße Herzensbrecherin
gelacht wurde. Man muss ihm neues Leben einhauchen, was meine Aufgabe sein wird – irgendwann. Nach den Jahren als Soldat in Spanien brauche ich erst einmal Zeit, um zu mir selbst zu finden. Es kommt mir so vor, als wäre ich nicht mehr der Alte.“
Cassandra konnte hören, dass er es ernst meinte. In seiner Stimme lag ein Unterton, den sie nicht zu deuten wusste. „Es wird gewiss eine Weile dauern. Sind Sie glücklich?“
„Ich denke, ich bin zufrieden.“
„Worin liegt der Unterschied für Sie?“
„Zufriedenheit ist eine Geisteshaltung. Glücksgefühle hingegen kommen und gehen und fallen unterschiedlich stark aus. Musik kann glücklich machen, oder auch das Erreichen wichtiger persönlicher Ziele. Selbst andere Menschen glücklich zu sehen – etwa wegen der Geburt eines Kindes –, Bedürftigen zu helfen, ihnen das Leben erträglicher zu machen, so wie Sie es mit Ihrer Arbeit vollbringen, all das kann uns mit Glück erfüllen.“
Cassandra dachte einen Moment nach. „So habe ich das bislang noch nicht betrachtet, aber wenn ich unsere Kinder das Institut verlassen sehe, mit vollem Magen und festem Schuhwerk, bin ich eher zufrieden als glücklich.“ Sie warf William einen neugierigen Blick zu. „Empfinden Sie Glück bei dem, was Sie für Emma und Edward tun?“
Er wandte sich zu ihr um, und sie sahen einander lange in die Augen, bevor er mit den Schultern zuckte und antwortete: „Glück, Zufriedenheit, Genugtuung – weil ich so die Möglichkeit habe, Sie zu sehen, Cassandra.“
„Ist das der Grund für Ihr Einverständnis, dass die beiden sich vermählen?“
„Unter anderem“, gestand er offen. Er erhob sich und lächelte. „Kommen Sie, genug der Offenbarungen und des Philosophierens für heute. Ich werde Sie zurück ins Haus begleiten, obwohl ich liebend gern weiter mit Ihnen geplaudert hätte. Morgen erhalten Sie von mir Ihre erste Reitstunde, und aus diesem Grund sollten Sie ausgeschlafen sein.“
Noch ehe sie protestieren konnte, hatte er sie auf die Füße gezogen. Er legte sich ihre Hand in die Armbeuge und führte sie zum Haus zurück.
Später, auf ihrem Zimmer, ließ Cassandra ihre Begegnung mit William noch einmal Revue passieren. Sie musste sich eingestehen, dass sie zutiefst berührt war. Das Gespräch mit ihm hatte sie erschüttert, und sie war verwirrt und aufgewühlt, wenn sie sich daran erinnerte, welch rätselhafter Ausdruck in seine Augen getreten war, als er von Carlow Park gesprochen und ihr angedeutet hatte, dass er sich nach ihrer Nähe sehnte.
Das kurze Beisammensein kam ihr vor wie ein Traum. Für einen Augenblick hatte sie die Kluft vergessen, die zwischen ihnen bestand. Er war in einer solch entrückten, nachdenklichen und ruhigen Stimmung gewesen, dass sie mit einem Mal das Gefühl beschlichen hatte, er sei ihr vertraut wie kein anderer Mensch. Diesen Moment, da sie in stillem Einvernehmen im Rosengarten gesessen hatten – unter einem unvergleichlich schönen Sternenhimmel –, wollte sie für immer in Erinnerung behalten.
Am nächsten Morgen traf sie William bei den Ställen.
„Guten Morgen, Cassandra. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen.“
„Das habe ich, danke.“
„Es war schön, gemeinsam mit Ihnen den Sternenhimmel zu bewundern.“ Er schenkte ihr einen langen, herzlichen Blick. „Das müssen wir wiederholen.“
„Ja.“ Sie nickte geistesabwesend und warf einen misstrauischen Blick auf das Pferd, das William für sie ausgesucht hatte.
Obwohl sie ihre Bedenken bezüglich des bevorstehenden Reitunterrichts nicht laut aussprach, entging William nicht, wie verzagt sie war, und er nahm sich vor, sie so einfühlsam wie möglich mit der Stute vertraut zu machen, damit sie am Ende ihres Ausritts ihre Angst überwunden haben würde.
Er ergriff die Zügel und führte das hervorragend gepflegte Tier vorsichtig an Cassandra heran, bis es nahe vor ihr zum Stehen kam. Dann lächelte er ermutigend und maß sie mit einem wohlwollenden Blick. „Sind Sie bereit für Ihre erste Lektion?“
Erleichtert, dass Emma, die eine passionierte Reiterin war, ihr mit einem eleganten dunkelgrünen Reitkleid hatte aushelfen können, erwiderte Cassandra sein Lächeln und nickte. „Obwohl ich gestehen muss, dass ich im Augenblick alles andere lieber täte, als mich auf ein Pferd zu setzen“, bekannte sie und beäugte die Stute, die den Kopf schüttelte und laut schnaubte, mit unübersehbarer Skepsis.
„Ruhig, mein Mädchen“, murmelte William, tätschelte dem Tier den
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