Suesse Hoelle
zu müssen. Er konnte nicht so schnell fahren, wie er gern wollte, doch er beschleunigte so, wie der Straßenzustand es zuließ. Das Gefühl der Dringlichkeit hielt seinen Fuß auf dem Gaspedal. Er verlangsamte seine Fahrt kaum an den Stoppschildern, an einer roten Ampel hielt er nur so lange an, bis er sich vergewissert hatte, eine Lücke im fließenden Verkehr zu erwischen.
Ein Unfall auf dem Expressway zwang ihn dazu, einen, Teil des Weges zurückzufahren und einen anderen Weg einzuschlagen, es kostete ihn Zeit. Beinahe zwanzig Minuten waren vergangen, ehe er auf die Einfahrt zu Marlies Haus bog. Ihr Wagen stand an seinem Platz, im Wohnzimmer brannte Licht. Mit einem einzigen Satz sprang er auf die Veranda und klopfte dann an die Tür.
»Marlie? Hier ist Dane. Mach auf.«
Die Stille im Haus war so vollkommen wie heute Nachmittag im Haus der Vinicks, als gäbe es kein Lebewesen weit und breit. Eine eisige Hand schien nach Danes Herzen zu greifen, seine Stimme klang rau, als er noch einmal nach ihr rief und mit der Faust gegen die Tür hämmerte.
In dieser Tür gab es keine Scheibe, die er einschlagen konnte, und er machte sich auch nicht die Mühe, um das Haus herumzugehen und sich die Hintertür anzusehen. Er nahm kurz Anlauf und trat dann mit dem Fuß zu. Viermal musste er ausholen, dann splitterte das Holz, die Tür flog auf und landete mit lautem Krachen an der Wand. Er wusste, er sollte sich Zeit lassen und nicht einfach vorwärts preschen, weil er nicht wissen konnte, was dort auf ihn wartete; doch seine Angst war größer als seine Vorsicht, mit der Beretta in der Hand stürmte er hinein.
»Marlie!«
Sie saß auf der Couch, mitten im Schein der Lampe, völlig versteinert. Ihre Augen waren offen, blicklos starrte sie ins Leere. Sie rührte sich nicht, war kreidebleich, und einen schauerlichen Augenblick lang setzte sein Atem aus. Der Schmerz war wie eine Faust, die sein Herz zusammenpresste
Dann erinnerte er sich daran, dass der Polizist Ewan ebenfalls zuerst geglaubt hatte, sie sei tot, und er holte tief Luft. Nun konnte er sich wieder bewegen, obwohl die Furcht ihn noch immer in ihren Klauen hielt. Er legte die Pistole beiseite und kniete vor der Couch nieder. Hastig nahm er ihre Hände und hielt sie an seine Brust, während er gleichzeitig mit zwei Fingern auf ihrem Handgelenk ihren schwachen Puls fühlte. Er schlug langsam, aber regelmäßig. Ihre Haut war kühl, doch unter dieser kühlen Oberfläche lag die Wärme des Lebens.
»Marlie«, sagte er noch einmal, ruhiger diesmal. Aber noch immer kam keine Antwort.
Vorsichtig untersuchte er sie, dann sah er sich um. Es gab keine Anzeichen für einen Kampf, keine Verletzung konnte er entdecken. Es schien alles in Ordnung, körperlich wenigstens.
Der Telefonhörer lag neben der Couch, das Freizeichen war zu hören. Er hob ihn auf und legte ihn auf die Gabel.
Dane schluckte, als ihm klar wurde, was geschehen sein musste Sie hatte wieder eine Vision gehabt, war noch immer in ‚ihr gefangen. Was war diesmal geschehen? Wieder ein Mord? Himmel, in all dem Durcheinander von Drogen und Straßenbanden war es ein Wunder, dass sie nicht die meiste Zeit ihres Lebens in diesem Zustand verbrachte. Ob sie auch jemals gute Schwingungen erfasste, die glücklichen Zeiten, in denen die Menschen mit ihren Kindern spielten oder über einen dummen Scherz lachten? Wie konnte sie leben, wenn sie beladen war mit all den Problemen der Menschheit?
Sie trug nur ein dünnes Oberteil und ihr Höschen, ihre Beine waren kalt, als er sie berührte. Er stand auf und schloss die beschädigte Tür, dann ging er in ihr Schlafzimmer und suchte nach einer Decke. Das kleine Zimmer war, wie all die anderen Räume hier, die er bis jetzt gesehen hatte, gepflegt und beruhigend. Sie hatte ihr Haus zu einer Zufluchtstätte gemacht, es war ihre Barrikade gegen die Welt. Er stand mittendrin und sah sich um, lernte sie so kennen. Die Bettdecke auf dem Doppelbett war zerwühlt und lag halb auf dem Boden, offensichtlich hatte sie geschlafen, als die Vision sie in die Klauen nahm, und der Zustand der Laken bewies deutlich ihre Erregung.
Eine Häkeldecke lag auf einem Schaukelstuhl. Dane nahm sie auf und ging damit ins Wohnzimmer zurück, legte sie über ihre Schultern und ihre nackten Arme und Beine. Soweit er sehen konnte, hatte sie nicht einmal mit der Wimper gezuckt; wäre nicht das leichte Heben und Senken ihrer Brust gewesen, hätte man glauben können, dass sie nicht mehr lebte.
Er wusste
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