Suesse Hoelle
sein, da sie doch jeden Schmerz, all die Wut und den Hass mitgefühlt hatte? Als sie ihre übersinnlichen Fähigkeiten verloren hatte, musste es ihr wie das Entrinnen aus der Folter vorgekommen sein. Und jetzt, wo alles wieder von vorne begann, wie fühlte sie sich da? Gefangen? Erledigt?
Verlangen pochte in seinen Lenden, er konnte nicht in ihrer Nähe sein, ohne sie zu begehren. Aber noch viel stärker als dieses Verlangen war der Wunsch, sie zu halten, zu schützen vor dem Entsetzen in ihr und um sie herum.
Er schlief bis acht, und als er aufwachte, wurde ihm sofort klar, dass sein Piepser sich die ganze Nacht über nicht gemeldet hatte. Auch Marlie hatte sich nicht bewegt. Matt lag sie an seiner Seite, ihre ungewöhnliche Ruhe zeugte vom Grad ihrer Erschöpfung. Wie lange dauerte dieser Zustand der Benommenheit normalerweise?
Er duschte und sprach sich Mut zu, dass sie sicher nichts dagegen hätte, wenn er ihr Bad und ihre Handtücher benutzte. Dann rasierte er sich, benutzte ihr Rasiermesser und fluchte, als er sich damit schnitt wie gehabt. Danach ging er in die Küche und brühte noch eine Kanne Kaffee auf. Er fühlte sich in Marlies Haus langsam so heimisch wie in seinem eigenen. Während er darauf wartete, dass der Kaffee durch die Maschine lief, maß er die Haustür aus, weil sie ausgetauscht werden musste Gerade war er damit fertig, da läutete das Telefon.
»Hast du schon was gehört?« fragte Trammell.
»Nichts.«
»Und was sagt Marlie?«
»... bis jetzt noch gar nichts! Seit sie gestern Abend aus ihrer Vision wieder zu sich gekommen ist, schläft sie. Sie konnte mir gerade noch erzählen, was sie gesehen hatte, dann war sie schon weg.«
»Ich habe in der letzten Nacht stundenlang darüber nachgedacht. Wenn es sich um einen Serienmörder handelt...«
»... dann sind wir in Schwierigkeiten.«
»Sollen wir Bonness sagen, was wir vermuten?«
»Das wird am besten sein. Immerhin hat er Marlie geglaubt, noch ehe wir beide davon überzeugt waren. Wir können nichts tun, bis ein Mord gemeldet wird; aber wir sollten ihn auf alle Fälle benachrichtigen.«
»Wir werden uns ziemlich blöd vorkommen, wenn man niemanden findet.«
»Hoffentlich«, erklärte Dane grimmig. »Ich hoffe bei Gott, dass wir aussehen wie die größten Dummköpfe auf Erden. Das wäre wesentlich besser als die Alternative.«
Trammell seufzte. »Ich werde mit Bonness reden«, bot er an. »Wie lange bleibst du noch bei Marlie?«
»Weiß ich nicht. Wenigstens bis sie wieder selbst für sich sorgen kann. So wie es aussieht, wird es wohl das ganze Wochenende dauern.«
»Es haut sie um, wie?«
»Du hast keine Ahnung.« Ein Gedanke kam ihm. »Und wenn du heute sowieso schon auf den Beinen bist, kannst du gleich eine Haustür für mich kaufen. Marlie ist nämlich im Augenblick nicht geschützt genug.«
Die Stimme gab keine Ruhe, sie drängte sie immerfort. Es war zwar eine geduldige Stimme, doch ziemlich gnadenlos. Ganz entfernt in ihrer Benommenheit erinnerte sie sich daran, dass es eine bekannte Tonlage war, aber sie konnte sie nicht recht zuordnen. Sie war müde, so schrecklich müde und wollte nur schlafen, vergessen. Diese Stimme hatte sie schon einmal in die Wirklichkeit zurückgerufen. Warum ließ man sie nicht einfach in Ruhe? Unwillig wehrte sie die Störung ab und versuchte, im Nichts ihren Trost zu finden.
»Marlie. Komm schon, Marlie. Wach auf!«
Irgend jemand bedrängte sie. Sie wollte sich umdrehen, weg von dem Geräusch, doch es gelang ihr nicht.
»So ist es richtig, mein Schatz. Öffne deine Augen.«
Es schien einfacher nachzugeben, sie hatte nicht genug Kraft, dagegen anzukämpfen. Ihre Augenlider waren schwer wie Steine, doch sie zwang sich, sie zu öffnen, und runzelte dann verwirrt die Stirn, als sie einen Mann entdeckte, der auf ihrem Bett saß. Er hatte die Arme zu beiden Seiten von ihr aufgestützt und hielt die Bettdecke fest, deshalb hatte sie sich nicht bewegen können.
»Da bist du ja«, sagte er leise. »Hi, mein Schatz. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
Sie konnte nicht klar denken, alles war verworren. Warum hielt Dane sie so fest? Ihre Verwirrung musste ihr anzusehen sein, denn er lächelte und hob dann eine Hand, um ihr das Haar aus dem Gesicht zu streichen. »Es ist alles in Ordnung. Aber du hast sehr lange geschlafen, und ich wusste nicht, ob das normal ist oder nicht, deshalb habe ich dich aufgeweckt. Das war allerdings gar nicht so einfach«, fügte er grinsend hinzu.
»Was ...? Warum bist
Weitere Kostenlose Bücher