Sueße kleine graue Maus
lassen.«
»Wäre denn eine Ehe mit dem Besitzer eines der weltgrößten Kosmetikunternehmen so schrecklich?« hatte Susan sarkastisch gefragt. »Denk doch auch mal daran, was eine solche Verbindung für deine Zukunft bedeuten könnte!«
»Und für deine, Mutter.«
»Deine Beleidigungen kannst du dir sparen. Also, Mr. Alexander hat angerufen, er läßt dich um acht abholen. Hier, dieses wunderschöne Diamantarmband hat er für dich geschickt. Du sollst es heute abend tragen. Bitte geh dich umziehen.«
Das Armband hatte das Faß zum Überlaufen gebracht. »Ich bin doch nicht käuflich!« Ranas Stimme klang kalt und sehr ruhig. »Mr. Alexander kann sein Armband behalten - und ich meine Würde.«
Anstatt sich für den Abend mit einem Mann zurechtzumachen, der alt genug war, ihr Großvater zu sein, hatte Rana ein paar Sachen gepackt und ohne ein weiteres Wort das Penthouse in Manhattan verlassen.
Während der langen Busfahrt in den Süden hatte sie sich noch einmal die unzähligen Intrigen ihrer Mutter ins Gedächtnis gerufen. Solange Rana zurückdenken konnte, hatte Susan Ramsey ihre Tochter in Situationen hineingedrängt, die diese verabscheute. Wie sehr hatte sie die Kindermodenschauen gehaßt, die Model-Kurse, die Fototermine, die endlosen Interviews, die Rana im nachhinein immer nur peinlich erschienen waren.
Susan hatte keine Mühe gescheut, Rana erst zu dem perfekten kleinen Mädchen zu machen, dann zu dem perfekten naiven Teenager, dann zu der perfekten verführerischen Frau ... Zu der Frau, die Susan selbst gern gewesen wäre. Ein Psychologe hätte den Fall als klassisch bezeichnet: Eine Mutter, die nur durch ihr Kind lebt.
Rana war stets ein hilfloses Opfer von Susans übersteigerten Ambitionen gewesen. Ihr Vater war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, als sie noch ein kleines Mädchen war, er hatte also nicht das ausgleichende Gegengewicht sein können. Von da an war Rana den ehrgeizigen Plänen ihrer Mutter völlig ausgeliefert gewesen. Sie hatte sich selten gewehrt. Die Beziehung zu Patrick, ihrem Freund und späteren Ehemann, war einer ihrer Versuche gewesen, sich gegen Susan durchzusetzen. Aber das Ganze hatte in einem solchen herzbrechenden Fiasko geendet, daß Rana keinen weiteren Versuch mehr gewagt hatte.
Susan hatte ihrer Tochter bewiesen, wie rücksichtslos sie sein konnte, und Rana hatte sich resigniert von ihr leiten lassen. Bis zu Mr. Alexander. Würde ihre Mutter sie tatsächlich an so einen alten Mann verschachern? Diese Vorstellung hatte Rana zutiefst aufgeschreckt.
Sie war zu dem Schluß gekommen, daß sich Susan nie mehr ändern würde. Wenn Rana ein anderes Leben führen wollte, mußte sie die Sache selbst in die Hand nehmen. Als sie ihre Mutter verlassen und ihre Karriere in New York aufgegeben hatte, war das die gesündeste Entscheidung gewesen, die sie jemals im Leben getroffen hatte.
»Es war nicht allein Mutters Schuld. Auch ich bin verantwortlich gewesen«, erklärte sie jetzt ihrem Agenten. »Es tut mir leid, daß du da hineingezogen wurdest.
Bitte, versteh mich. Ich mußte einfach fort. Und hier geht's mir wirklich gut. Heute morgen bin ich am Strand gejoggt. Du hättest mich sehen sollen! Im Trainingsanzug und mit einer Schirmmütze auf dem Kopf! Ich habe bestimmt schrecklich ausgesehen, mich aber pudelwohl gefühlt. Ich bin entspannt und ausgeglichen. Und frei! Zum erstenmal in meinem Leben mache ich, was ich will.«
»Aber mußte es so ein drastischer Schritt sein, Liebes? Konntest du dich nicht einfach von Susan trennen und ihr sagen, sie sollte ein für allemal aus deinem Leben verschwinden?«
»Was glaubst du, hätte sie getan? Sei ehrlich.«
Morey umging diese Frage. »Hast du die Anzeige gesehen?«
»Zufällig. Ich bin zu Tode erschrocken.«
»Das sind auch die großen Bosse von dem Unternehmen. Sie können es immer noch nicht fassen, daß ihre Werbeleute eine solche Anzeigenserie während all der Monate eingefroren hatten. Die Leute stehen Kopf, Rana. Die Umsätze sind gleich in der ersten Woche, in der die Anzeige erschienen ist, wie eine Rakete in die Höhe geschnellt. Überall im Land kannst du dich auf Reklametafeln wiederfinden. Im Augenblick plant man eine großangelegte Kampagne im Werbefernsehen.«
»Mit mir?«
»Natürlich mit dir. Die Fernsehspots sollen gleichzeitig mit den Anzeigen in den Illustrierten erscheinen. Man glaubt, und darin stimme ich den hohen Herrschaften zu, daß du für simple Baumwollunterwäsche mehr tun kannst als
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