Sueße Luegen, Heiße Kuesse

sich dann bequem.
    Sie wandte sich dem Fenster zu, strich gedankenverloren mit dem eiskalten Glas über ihre Wange und seufzte.
    Erst all diese Kameras, die aufgeregten Fragen, das Schubsen und Drängeln. Dann der beängstigende, qualvolle Flug, bei dem sie sich gefühlt hatte, als sauge ihr jemand den Magen durch einen Strohhalm aus.
    Trotzdem hatte sie all das überstanden.
    Triumphierend lächelte sie ihrem Spiegelbild in der abgedunkelten Scheibe zu. Sie hatte es geschafft. Mit Lukes Hilfe hatte sie den ersten Schritt ins Unbekannte gewagt und ein paar ihrer Ängste besiegt.
    Aber das Siegesgefühl war von kurzer Dauer und machte schnell den unausweichlichen Erinnerungen Platz. Auf der spiegelnden Fensterscheibe konnte sie beobachten, wie ihr Lächeln langsam verschwand und ihr Blick hart wurde.
    Sie war achtzehn gewesen – noch ein Kind. Zu jung, um es besser zu wissen, zu schwach, um es auszuhalten.
    Verzweiflung machte sich in ihr breit, als sie an das Unglück dachte, das ihr ganzes Leben umgekrempelt hatte. In den Monaten nach dem Flugzeugabsturz war sie wie betäubt gewesen. Verzweifelt hatte sie sich nach Privatsphäre gesehnt, das öffentliche Interesse an jedem noch so grausamen Detail hatte sie auf eine harte Probe gestellt.
    Am ersten Jahrestag des Unglücks hatte sie klein beigegeben und einem Interview zugestimmt, in der naiven Annahme, der Reporter würde ihre Privatsphäre respektieren. Während der folgenden Presselawine war sie schließlich untergetaucht. Die verschiedenen Jobs, die sie danach angenommen hatte, waren schlecht bezahlt gewesen. Jahrelang hatte sie nah an der Armutsgrenze im Westen von Sydney gelebt, bis sie endlich den Absprung geschafft hatte. Sie hatte das Abendstudium absolviert und ihr Zertifikat in Heilmassage bekommen, und das war all die Mühen wert gewesen.
    Sie war nicht die einzige Überlebende bei dem Flugzeugabsturz gewesen, und gemeinsam mit den anderen hätte sie sich der Sammelklage anschließen können. Aber das hätte zu viele Fragen, zu viel Öffentlichkeit bedeutet. Viel zu lange war der Absturz ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen und ihr erster beim Aufwachen gewesen, hatte jede Stunde, jeden Tag gefüllt und ihr grässliche Albträume beschert, bis es ihr irgendwie gelungen war, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich auf die Zukunft zu konzentrieren.
    Stopp. Du kannst nicht zurückgehen. Nur vorwärts.
    Beth rieb sich die Augen, bis ihr ganzes Gesicht schmerzte und es ihr gelang, die Erinnerungen fortzuschieben. Langsam entspannten sich ihre Schultern.
    Sie warf einen Blick auf Lukes Spiegelbild, doch all seine Aufmerksamkeit war auf das schmelzende Eis in seinem Drink gerichtet.
    „Glaubst du immer noch, dass ich die heimliche Geliebte deines Onkels bin?“, fragte sie ruhig, während sie weiter aus dem Fenster schaute.
    Er zögerte, aber als sie sich zu ihm drehte, schüttelte er den Kopf. „Nein.“
    „Gut.“
    Sie schwiegen wieder und musterten einander wie skeptische Gegner, von denen keiner nachgeben wollte.
    „Mein Angebot, dich auszubezahlen, ist ernst gemeint“, sagte er plötzlich. „Ich kann dafür sorgen, dass es sich für dich lohnt. Du kannst anderswo neu anfangen, irgendwo näher an Surfers …“
    „Lass mich etwas erklären.“ Sie setzte sich zurecht, schlug ein Bein über das andere und richtete alle Aufmerksamkeit auf Luke. „Stell dir vor, jemand schenkt dir ein Auto – es ist alt, abgenutzt, es hat ein paar Beulen und Kratzer und ist etwas verrostet. Aber du kannst das Potenzial dahinter sehen, weil alle Autos, die du bisher besessen hast, totale Rostbeulen waren, die nicht mal als straßentauglich galten. Du bringst Jahre damit zu, dieses Auto aufzumöbeln, hämmerst die Beulen raus, ersetzt die Reifen, spendierst ihm eine neue Lackierung. Du schwitzt und steigerst dich total in die Sache hinein, weil sie dir ein Ziel gibt, weil dieses Auto dich vom College und den miesen Kellner- und Putzjobs wegbringt. Denn es zeigt dir, welche Möglichkeiten sich mit etwas Arbeit und Entschlossenheit auftun. Es wird mehr als ein bloßes Projekt – es wird zu einem Teil von dir. Und schließlich, wenn du es perfekt hinbekommen hast, das süße Gefühl des Erfolgs auskostest, kommt so ein Typ daher und fordert von dir, dass du es ihm überlässt.“
    „Ja, ich weiß, vor dem Gesetz bin ich nur eine Mieterin“, fügte sie schnell hinzu, als er seinen Mund öffnete. „Aber, Luke, ich habe Herz und Seele in dieses Haus