Sueße Prophezeiung
könnte?«
Bei diesen Worten schaute das Mädchen Avalon fast ängstlich an und dann zu den Männern hinüber, die immer noch kamen und gingen. Avalon folgte ihrem Blick. Sie bezweifelte, dass die Magd das sah, was sie wahrnahm: das seltsame Gefühl, das sie schon unten in der Halle erfasst hatte und ihr sagte, etwas sei falsch; es kroch über die Schwelle der offenen Tür, und die sich windenden Tentakeln schlangen sich um die Knöchel des Mädchens. Avalon blinzelte ein paarmal, dann war die Vision verschwunden.
Die Magd hatte sich nicht gerührt, und Avalon wandte sich erneut an sie.
»Vielleicht könntest du mir ja einfach deinen Namen nennen?«
»Elfrieda, Mylady«, flüsterte das Mädchen.
»Elfrieda.« Ein Mann trat mit der letzten Truhe auf den Schultern ein, setzte sie neben den anderen ab und verbeugte sich zum Abschied. Avalon betrachtete das Mädchen forschend. »Wie alt bist du?«
»Vierzehn, Mylady.«
»Vierzehn! So alt! Du siehst aus, als könntest du meine Tochter sein.«
Elfrieda schaute hoch, die kleine Übertreibung machte sie aufgeschlossener. »Ganz bestimmt nicht, Mylady! Ihr seht jünger aus als meine Schwester, Mylady, und die ist älter als Ihr!«
Avalon stieß ein leises Lachen aus. »Meinst du wirklich? Da bin ich aber froh.« Sie ging zu einer der Truhen und hockte sich auf den Deckel.
»Elfrieda, sag mal, kennst du wirklich niemanden, der etwas von Lady Luedella weiß? Sie bewohnte diese Zimmer, als ich ein Kind war. Ich wäre für jeden Hinweis dankbar.«
Warum sie plötzlich so entschlossen war, das Schicksal der Frau zu erkunden, konnte Avalon nicht sagen. Es schien einfach sehr, sehr wichtig zu sein.
Sie griff in die Falten ihres Rockes und zog eine kleine, mit Juwelen besetzte Börse hervor, die mit einer Kette an ihrem Gürtel befestigt war. Sie löste das Band, das die Börse zusammenhielt, und schüttelte zwei Goldmünzen in ihre Hand.
Ungläubig starrte Elfrieda sie an, als Avalon sie ihr hinhielt.
»Für jederlei Hilfe«, wiederholte sie ruhig.
Das Mädchen trat einen winzigen Schritt vor, während es einen gequälten Blick erst auf Avalon und dann auf die Münzen warf. Avalon fing Bruchstücke ihrer Gedanken auf.
Essen genug für Wochen! Neues Saatgut für die Felder. Vielleicht sogar eine Kuh für Mama, Milch für das Baby ...
»Nimm es«, sagte Avalon, ohne zu zögern. Sie stand auf und drückte die Münzen in die Hand des Mädchens. Dann wandte sie sich, empört über sich selbst, ab. Was war nur in sie gefahren, mit so einem Kind ihr Spielchen zu treiben?
Unter Knicksen und gemurmelten Dankesworten verließ Elfrieda den Raum.
Avalon trat wieder ans Fenster und schaute blicklos nach draußen.
Cousin Bryce lachte lang und laut über eine Bemerkung von Avalon, die eigentlich nicht besonders witzig gewesen war.
Avalon merkte, dass er dieses Lachen in regelmäßigen Abständen während des Abendessens anstimmte und von Ausrufen seinerseits über ihren Geist und Charme begleitet wurde. Es war lästig und ermüdend. Avalon überlegte, ob er vielleicht dachte, sie sei so geistlos, dass er sie damit zum Narren halten könne. Oder er meinte, eine glaubwürdige Vorstellung zu liefern, und wollte wirklich wissen, was sie von seiner Präsentation des Lauchkuchens hielt – weshalb er es dreimal wiederholte.
Also lächelte sie höflich und nickte, machte passende Bemerkungen gegenüber ihrem Gastgeber, während sie an seinem Tisch auf der Estrade in der Halle aß, die ihrem Vater gehört hatte.
Soldaten und Edelleute reihten sich nebeneinander auf langen Bänken und nahmen die Mahlzeit fast schweigend ein, während ihr Cousin eine Anekdote nach der anderen zum Besten gab und immer wieder nach ihrer Meinung fragte. Er bot ihr die schmackhaftesten Bissen von jedem Gericht an und scharwenzelte die ganze Zeit um sie herum, indessen sie sich ihrem Teller widmete. Ständig pries er ihre Manieren und schenkte ihr nach, bis ihr Kelch schließlich unberührt bis zum Rand gefüllt war.
Es schien Avalon fast so, als würde er ihr den Hof machen. Sie konnte es nicht fassen. Doch dann schob sie diese Idee schnell von sich. Egal wie übertrieben freundlich er auch scheinen mochte, so war Bryce d’Farouche doch immer noch ihr Cousin, wenn auch um ein oder zwei Ecken herum. Und er besaß ja auch bereits eine Gemahlin.
Avalon bemerkte, dass Lady Claudia fast gar nichts aß. Sie saß einfach nur zurückgelehnt auf ihrem Stuhl und trank von ihrem Wein, während sie ihren Ehemann
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