Sueße Prophezeiung
über den Haufen. Die Folgen, mit denen zu rechnen war, reichten von ungelegen bis katastrophal. Das hing davon ab, wie schnell er sie in diese Verbindung zu drängen gedachte.
»Morgen Abend veranstalten wir eine Feier«, verkündete Lady Claudia gelassen den Mauern, an denen sie vorbeikamen.
»Oh?«
Vielleicht besaß Claudia ihre eigene Chimäre. Sie schien zu wissen, was Avalon dachte. Ihre Miene war ausdruckslos, als sie Avalons Blick begegnete. »Könnt Ihr erraten, warum, Mylady?«
Katastrophale Folgen ...
»Ich glaube schon.«
»Das habe ich mir gedacht.«
Claudia ließ diese Bemerkung einen Augenblick in der Luft hängen, bis sie einen Posten passiert hatten, der einen Durchgang bewachte. Dann setzte sie das Gespräch fort.
»Männer tun seltsame Dinge, nicht wahr?«
»Ja«, stimmte ihr Avalon von ganzem Herzen zu.
»Nehmt irgendeinen! Nehmt zum Beispiel meinen Ehemann. Euren eigenen Cousin. Er mag eine Burg besitzen, mag Ländereien haben, die endlos reichen. Macht, Dienstboten, Ritter nennt er sein Eigen. Er mag all dies haben, aber wird das seinen Durst nach mehr löschen?«
Die Antwort sparte Avalon sich.
»Ein Mann ist ein unergründliches Wesen«, meinte Claudia nachdenklich. »Wir Frauen werden nie die Wünsche, die sie in ihrem Geist und Herzen hegen, verstehen. Vielleicht ist es auch besser so – wenn man beispielsweise nicht weiß, warum ein Mann etwas Übereiltes tut. Etwas, das mit Sicherheit Kummer über dieses Haus bringen wird.«
Sie waren bei Luedellas Tür angekommen. Claudia ließ ihren Arm los. »Vielleicht ist es ein Glück, nicht zu verstehen, warum ein Mann seine Existenz aufs Spiel setzt, indem er zwei Königreichen und mächtigen Familien trotzt – nur um noch mehr zu erlangen, als er bereits hat.«
Claudias Gesichtszüge wirkten durch das Licht der Fackeln weicher. Der Schein fing sich im Dunkel ihrer Augen und wurde davon verschlungen.
»Vielleicht«, bestätigte Avalon.
»Ich habe gehört, Euer Verlobter soll von seinem Kreuzzug zurückgekehrt sein, Lady Avalon. Marcus Kincardine ist wieder nach Hause gekommen.«
Die Neuigkeit traf Avalon wie ein Schock; doch sie versuchte, keine Miene zu verziehen. Von Claudia erhielt sie ein bitteres Lächeln.
»Es ist wahr. Er soll bereits unterwegs sein, um seine Braut für sich zu beanspruchen. Das scheint mir auch der Grund dafür, warum Warner so schnell aus Frankreich anreiste und warum mein Ehemann Euch so plötzlich hat herbringen lassen. Vermutlich habt Ihr nun eine sehr klare Vorstellung von dem, was morgen Abend bei der Feier geschehen wird. Warner kann sich den Luxus nicht leisten, lieb und nett um Eure Hand anzuhalten. Er ist ein Mann ganz nach meines Gatten Sinn, glaube ich, der nichts gegen ...«, sie schien einen Moment nach dem richtigen Wort zu suchen und legte einen Finger an die Lippen, »... gegen Gewalt hat, nehme ich an.«
Avalon fehlten die Worte. Das eben Gehörte verwirrte sie völlig. Sie stand mit klopfendem Herzen da, während sich ein Anflug von Panik in ihr breit machte.
»Ist Euch bewusst, was dieser Kincardine in der Fremde vollbracht hat, Cousine Avalon? Ist Euch bewusst, wie sie ihn nennen, Euren Verlobten, jenen Mann, mit dem mein Gemahl sich anlegen will?«
Stumm schüttelte Avalon den Kopf.
»Man nennt ihn den Schlächter der Ungläubigen«, erklärte Claudia ihr. Bleischwer senkten sich die Worte auf sie. »Ein Schlächter! All diese Jahre, die er fort war, hat er getötet und getötet und nochmals getötet. Da wird es keine große Sache für ihn sein, die Familie auszurotten, die es gewagt hat, seine Braut zu stehlen.«
Claudia wandte sich ab. Das Gesagte schien sie selbst zu überwältigen. Aber nach einem kurzen Moment drehte sie sich schon um und blickte Avalon forschend ins Antlitz. Einmal mehr war im flackernden Schatten ihrer Miene keine Regung zu entnehmen.
»Ihr seid sehr schön, Cousine. In der Tat seid Ihr so schön, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ihr habt das Aussehen von Eurer Familie mütterlicherseits geerbt. Das wird Marcus Kincardine gefallen. Gute Nacht! Süße Träume!«
In ihrem langsamen, gemessenen Schritt wandte sie sich ihren eigenen Gemächern zu.
Avalon betrat ihren Raum und hastete blindlings zur Bettstatt. Sie musste nachdenken. Nein – sie musste handeln!
All ihre Pläne lösten sich vor ihren Augen in nichts auf. Sie besaß immer noch das Gold, das sie sorgfältig in das Futter ihrer Umhänge genäht hatte – die Juwelen, die klein und leicht zu
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