Sueße Prophezeiung
fürchtete, sie könnte das tiefe Verlangen in seinen Augen sehen und es für etwas anderes halten – demzufolge das Schicksal sie noch mehr von ihm entfernen würde. Er wusste nicht, was er tun sollte.
»Alles, was ich wollte, war, dich glücklich zu machen«, murmelte er schließlich. »Dich, Avalon, nicht irgendeine Legende! Nicht einen Mythos. Dich. Ich will dich! «
Er beobachtete, wie sich ihre Finger nervös verkrampften, und wartete ab. Sie war dabei, sein Leben zu zerstören. Alles, was er je getan, je gehofft hatte, stellte sie in Frage, indem sie ihn abwies. Es war unerträglich, auf das Sterbegeläut seiner Träume gefasst zu sein.
Ihre Hände lockerten langsam ihren Griff. Sie rieb mit den flachen Händen über die Falten ihrer Röcke.
»Wenn du mich je verletzen solltest ...«, hub sie mit rauer Stimme an, und er musste aufblicken, um den Rest ihrer Gedanken von ihrem Antlitz abzulesen.
Ihm fehlten die Worte. Bedächtig schüttelte er den Kopf. Er verneinte es, wies allein die Möglichkeit dessen zurück. Marcus presste seine Kiefer zu fest zusammen, als dass die Bitte zu bleiben über seine Lippen hätte dringen können.
Avalon starrte ihn an. Sie vereinte das Mondlicht, blühende Heidefelder in sich, war aus edlem Holz geschnitzt, und er sah, dass sie den lang angehaltenen Atem ausstieß.
»Dann«, sagte sie, »lass uns Hochzeit feiern.«
13
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Avalon beobachtete die Veränderungen auf seinem Gesicht. Das langsame Verstehen ihrer Worte, den Wandel von Verzweiflung über Verblüffung bis hin zu Unglauben. Auf einmal verzogen sich seinen Lippen zu einem Lächeln. Jenes wilde Lächeln, das sie mit Bestürzung zu erfüllen pflegte, aber nun eine verwandte Saite in ihr berührte – ein ungezähmter Geist, der nach vorn preschte und sie froh machte, unbeschreiblich froh, dass sie jene Worte gesagt hatte.
Um sie brandete Lärm auf, undefinierbare Laute, Stimmengewirr, ein Sturm, der sie hin und her warf. Aber Avalon hatte nur Augen für ihn. Marcus stand ganz ruhig da, ihre Zuflucht. Er trat neben sie. Die gesenkten Lider verbargen seinen Blick.
»Bist du dir sicher?«, fragte er und blieb mitten im Sturm, der sie umtoste, bei ihr stehen.
»Ja«, bekräftigte sie, und die Freude wich nicht.
Er blickte auf sie hinab, und sie konnte seine Zufriedenheit selbst hinter seinem Lächeln spüren, sah sie deutlich im kristallklaren Blau seiner Augen. Dann drehte er sich um und richtete seinen Blick auf die Menschen im Raum.
»Die Zeremonie findet jetzt statt«, verkündete er, und auch das kümmerte sie nicht – als hätte sie geahnt, dass er so schnell handeln würde, um diesen Moment zu nutzen.
Unter wirbelnder Betriebsamkeit und lauten Wogen der Vorfreude wurden die Teller abgeräumt und Tische beiseite geschoben. Die Männer traten sogleich zu einer Beratung zusammen. Die Frauen berührten sie mit sanften Händen, umgaben sie von allen Seiten und zogen sie in ihre Mitte.
Es war schön, sich das Kleid von ihnen wieder in Ordnung bringen zu lassen. Sie bildeten einen schützenden Ring zwischen ihr und dem restlichen Sturm. Sie legten ihr den Tartan an, sagten Dinge mit hellen, glücklichen Stimmen, denen sie nicht ganz zuhörte. Avalon ließ zu, dass sie ihr das Haar zurückstrichen – jemand zauberte einen Kamm hervor; woher kam der bloß? – und sie hatte wieder zwei schöne Zöpfe, die um ihren Kopf gewunden wurden.
Jemand – nämlich Ellen – reichte ihr einen duftenden Kiefernzweig, der noch frostig kalt war, weil er frisch von draußen kam, und irgendeinen anderen mit dunkelroten Beeren. Sie steckten ihr noch mehr davon ins Haar und in die Zöpfe – schufen so eine Winterkrone.
Aus irgendeinem Grund fing sie plötzlich zu lachen an. Sie wusste nicht, warum, außer dass es ihr so komisch vorkam, hier in der großen Halle von Sauveur zu stehen und Stechpalmenzweige im Haar zu haben, während sie ihren Kiefernzweig umklammerte – im Begriff, den Laird zu heiraten. Genau wie das Mädchen auf der Wiese. Und es schien alles richtig ...
Die Frauen gingen auseinander. Als sie an ihnen vorbeiblickte, sah sie den Zauberer vor den Tischen und Bänken, hinter ihm loderte ein Feuer im Kamin.
Marcus war auch da. Er stand neben ihm und sein Tartan war genauso ordentlich wie ihr eigener. Seine Gestalt zeichnete sich gegen das Feuer ab. Breite Schultern, dunkles Antlitz, die Flammen beleuchteten nur den Hintergrund.
Aber sie konnte spüren, was er fühlte, und da war nichts Dunkles.
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