Sueße Prophezeiung
er mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen den Kopf schüttelte. »Ich wusste, dass du ein glücklicher Mann bist, Kincardine. Aber vielleicht ist es an der Zeit, dem Glück eine Verschnaufpause zu gönnen. Du überstrapazierst sogar die Geduld eines Heiligen.«
Marcus erwiderte sein Grinsen, obwohl es etwas kläglich ausfiel. Dann sagte er etwas in jener singenden Sprache zum Zauberer in einem zu schnellen Tempo, als dass man ein Wort hätte verstehen können.
Der Zauberer lachte und wandte sich dann an Avalon.
»Euer Ehemann wird überleben, Mylady. Aber Ihr werdet ihm eine Armschlinge leihen müssen. Ich glaube, die rosafarbene würde ihm am besten stehen, nicht wahr?«
Er trug eine graue Schlinge, keine rosafarbene, aus robustem Wollstoff, den jemand aus seiner Tunika geschnitten hatte. Und trotzdem machte sie ihn nervös. Denn er ärgerte sich gewaltig über die Unannehmlichkeiten, die es bereitete, sich wieder zu erholen, nachdem er dem Tode so nahe gewesen war.
Die rosafarbene Schlinge lag trocken und sicher auf Sauveur, weil sie ihre Rückreise frühestens in einer Woche antreten würden, damit Marcus sich derweilen ein wenig Ruhe gönnte.
Einen Tag, hatte Marcus gemurrt.
Eine Woche, hatte der Zauberer mit fester Stimme verkündet.
Zwei Wochen, hatte Avalon eingeworfen, um ihm klar zu machen, wie ernst es ihr mit seiner Genesung war.
Sie einigten sich also auf eine Woche, und Marcus gab grummelnd nach. Doch sie machte ihm keinen Vorwurf ob seiner Unruhe, sofort die Heimreise anzutreten. Zweimal war aus relativ kurzer Distanz mit einer Armbrust auf ihn geschossen worden und doch hatte er überlebt. Vielleicht war das ein Beweis für die Vermutung des Zauberers, dass das Glück dem Schurken hold sei.
Und er sah wirklich wie ein Schurke aus, musste Avalon zugeben, während sie allein durch den Garten ihrer Mutter wandelte. Heute war sie früh erwacht und hatte ihn fast zwei Stunden lang in ihrem damaligen Kinderzimmer beim Schlafen beobachtet. Die vereisten Zweige der alten Birke waren vom Fenster aus deutlich zu sehen. Sein langes Haar umrahmte offen die wilde Schönheit seines Gesichts. Die Bartstoppeln auf seinen Wangen verliehen seiner Haut einen blaugrauen Schatten; aber im Übrigen sah er friedlich aus, und sein Atem ging gleichmäßig. Er hatte kein Fieber.
In den drei Tagen seit ihrer Ankunft an diesem verlassenen Ort war vieles wieder in Ordnung gebracht worden. Mit Erleichterung sah sie, dass Trayleigh in dem alten Glanz zu strahlen versprach, den es immer gehabt hatte – obwohl die Bemühungen dafür nur langsam vorangingen und sich noch kein Ende abzeichnete.
Claudia hatte gelogen. Die meisten waren nicht von ihr vergiftet worden, sondern hatten sich auf die Flucht begeben und sie ihrer Raserei überlassen. Die Dorfbewohner kamen nacheinander alle wieder in ihre Häuser zurück. Die meisten waren nicht weit weg gewesen. Tatsächlich musste wohl Elfrieda als Erste auf der Burg eingetroffen sein. Sie hatte nach Avalon gesucht, um ihr den Rest der Geschehnisse zu enthüllen.
Lady Claudia hatte sich ganz allmählich in ihren seltsamen Zustand hineingesteigert. Nach dem Tod ihres Ehemannes neigte sie zu Anfällen, was die Bediensteten in Angst und Schrecken versetzte. Als der neue Baron eingetroffen war, berichtete Elfrieda, hatte niemand zur Burg kommen wollen. Man sagte, sie sei verflucht und die Frau würde eine Gefahr für alle darstellen. Den neuen Baron sah keiner mehr ab der zweiten Woche nach dem Tod seines Bruders. Mittlerweile hatte Claudia fast allen befohlen – angefangen bei Leuten von Rang bis hin zu den Leibeigenen –, die Burg zu verlassen. Das war vor neun Tagen gewesen.
Avalon nahm an, dass Claudia sich heute bereits auf dem Weg nach London befand, wohin sie von einem Kontingent von Soldaten begleitet wurde. Sie hatte kein einziges verständliches Wort mehr gesprochen seit ihrem Angriff auf die Kincardines. Nur hin und wieder wimmerte sie etwas von Feuer und Teufeln. Alles seltsames Zeug, das nach Meinung aller ihren Wahnsinn bestätigte. Avalon vermutete, dass Claudia nun genau wie der böse Elf in ihrer Strafe gefangen war. Doch anstatt in einem Gebirgsbrocken zu versinken, würde Claudia bis an ihr Lebensende in einem Verlies aus Stein in London für ihre Verbrechen büßen.
Wahrscheinlich würde Avalon ihr schon bald in die Stadt folgen müssen, um dem König ihre Darstellung der Ereignisse, die sich im Zimmer des Barons ereignet hatten, vorzutragen. Zum Glück
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