Sueße Prophezeiung
Schulter angefangen zu pochen. Doch erst jetzt bemerkte sie den weit schlimmeren Zustand ihrer Rippen. Deshalb war sie froh, dass die Frauen gegangen waren.
Ein Blick auf die in allen Farben schimmernde Prellung, und sie wären schreiend zum Laird laufen. Dessen war Avalon sich sicher. Sie wollte nicht, dass der Laird davon erfuhr. Der Himmel allein ahnte, was er dann aufstellen würde, und sie besaß immer noch einen Rest von Stolz.
Langsam ließ sie sich in die kurze Wanne sinken, während die Hitze des Wassers allmählich in ihre Haut drang. Als sie saß, waren ihre Knie in gleicher Höhe wie ihr Kinn und das Wasser stand ihr bis zum Hals. Duftende Dämpfe stiegen auf und kitzelten ihre Nase. Sie bewirkten, dass sich die Leere in ihrem Geist noch weiter ausbreitete. Langsam schlossen sich Avalons Augen. Ihr Kopf lehnte am Rand der Zinkwanne. Alle Empfindungen lösten sich auf.
Als sie erwachte, war das Wasser merklich kühler. Deshalb nahm sie das parfümierte Seifenstück vom Wannenrand und begann, sich abzuschrubben. Sie fing mit ihrem Haar an und arbeitete sich nach unten, bis der ganze Dreck abgewaschen war. Sie stand auf, nahm die Kanne mit sauberem Wasser zur Hand und goss es sich über den Kopf.
Auf dem Bett lag ein wollenes weißes Nachthemd. Es war dick und warm, ein kleiner bestickter Kragen säumte den Hals. Sie hatte es sich gerade übergezogen, als die Frauen mit strahlenden Gesichtern und einem Becher zurückkehrten, der ein heißes köstliches Getränk für sie enthielt.
Avalon nahm den Becher entgegen, und erst als sie das gebutterte Ale ausgetrunken hatte, erzählten sie ihr, dass er vom Mauren käme, der ihr einen angenehmen Schlaf wünschte.
Verdammt! Die Konturen des Raumes begannen vor ihren Augen zu verschwimmen. Die Kammerjungfern führten sie zu ihrer Lagerstatt und betteten sie so vorsichtig, wie sie konnten. Sie berührten sie nur zweimal an der Seite. Aber der Schmerz schien nun ganz fern. Balthazars Trank hatte ihn gemildert.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich der Wirkung zu ergeben. Als die Sonne hinter den Wolken hervorbrach und den Raum mit ihrem hellen Licht erfüllte, gab Avalon ihrem Bedürfnis zu schlafen nach und stieß nur einen leisen Seufzer am Ende ihrer langen Reise aus.
Als Avalon die Augen wieder öffnete, erstrahlte ihr Zimmer genau im gleichen Licht, und einen Augenblick lang war sie verwirrt. Sie wusste, wo sie sich befand, sie erinnerte sich an alle Einzelheiten der vergangenen Tage. Aber hatte sie überhaupt geschlafen? Hatte der Zauberer ihr nicht irgendeinen Trank verabreicht?
Sie setzte sich auf und streckte ihre unverletzte Seite, wobei sie Acht gab, ihre schmerzende Schulter nicht zu bewegen.
»Wie fühlt Ihr Euch?«
Die tiefe Stimme kam aus der Ecke des Raumes, von einer Stelle, bis zu der die Sonne noch nicht vorgedrungen war. Marcus trat nach vorn ins Licht.
Jetzt trug er einen gepflegten sauberen Tartan und darunter eine schwarze Tunika. Sein dunkles Haar war ordentlich zurückgebunden. Das gewaltige Schwert, das an seiner Seite hing, fing einen Sonnenstrahl auf, der wie ein leuchtender Blitz die ganze Länge der Scheide nach unten raste und sie einen Moment lang blendete.
Sie rieb sich die Augen angesichts des metallischen Glanzes und wandte den Kopf ab.
Marcus schaute auf sie hinab und blickte auf etwas in seiner Hand, was sie nicht sehen konnte. Mit gerunzelter Stirn schaute er es nachdenklich an und dann wieder zu ihr. Da wusste sie, worum es sich handelte.
Die Tatsache, dass es ein Miniaturbildnis der wohlgestalteten Gemahlin des vor hundert Jahren lebenden Lairds gab und dass sie Avalon in einem geradezu unheimlichen Maße ähnelte, hatte nicht gerade dazu beigetragen, den Glauben an die Legende zu schwächen. Es hieß, die Gattin sei eine Tochter aus vornehmem Hause gewesen, und wie sich Avalon erinnerte, sah sie auf dem Gemälde auch danach aus: ihr Gewand war reich bestickt, und sie trug eine Kette aus gehämmertem Gold.
»Beeindruckend«, meinte Marcus und richtete seine eisigblauen Augen wieder auf sie.
»Zufall«, winkte sie ab.
Wortlos reichte Marcus ihr das gerahmte Oval, damit sie sich selbst überzeugen konnte. Widerstrebend nahm sie es entgegen. Sie wollte ihm nicht die Befriedigung geben, seine Meinung zu teilen. Aber sie wusste, dass die Frau auf dem Bild ihr tatsächlich ähnelte. Sogar damals, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, sah man bereits eine bemerkenswerte Ähnlichkeit. Avalon hatte es nicht
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