Sueße Prophezeiung
an sich, wobei sie sie wie einen kostbaren Schatz behandelte. »Das wissen wir, Mädchen. Das wissen wir!«
Er schuldete ihr eine Gunst. Marcus sah das ein, und es schmerzte ihn auf eine gewisse Weise, dass er ihr nicht das geben konnte, was sie wollte.
Sein Gedächtnis war leer hinsichtlich der Geschehnisse, nachdem der Blitz die Eiche gespalten hatte. Sekunden vor dem Einschlag hatte ihn ein Schwall brausender Luft getroffen, der seine Lungen verbrannte und die Haare auf seinen Armen steil nach oben stehen ließ. Aber hier endete die Erinnerung. Danach fand er sich unter der Kiefer wieder, und Bal hatte seinen Kopf untersucht.
Hew füllte die Lücken. Er erzählte ihm, wie er unter dem rasenden Tier gelegen und die Braut es gezähmt hätte. Sie sei geradewegs darauf zugerannt, um es zu beruhigen. Hew schaute zu Bal, damit dieser die Darstellung bestätigte, und Bal hatte es getan, während er seine Hände säuberte.
»Wir versuchten, sie aufzuhalten«, fügte Hew noch hinzu. Seine Augen leuchteten vor Bewunderung. »Aber sie ließ sich nicht aufhalten. Sie wehrte Tarroth so leicht ab, als wie man ein Kind abschüttelt.«
»Ah«, ergänzte Nathan, der neben ihm stand. »Es war ein großartiger Anblick.«
Marcus wünschte, er wäre bei Bewusstsein gewesen, um es mit eigenen Augen zu sehen, wie die Kriegsmaid seinen stärksten Mann fällte. Und das mit nicht weniger als einer ausgerenkten Schulter und gebrochenen Rippen!
Anschließend hatte sie noch ohne Murren drei Stunden in diesem Zustand vor ihm auf dem Pferd gesessen, hatte ihm ihre Schmerzen verheimlicht und ihre Gedanken abgeschottet.
Seufzend rieb Marcus sich das Kinn. Vom Turm, dem höchsten Punkt seiner Burg aus, ließ er den Blick über den grünen und goldenen Horizont schweifen. Scharlachrote Flecken schmückten bereits etliche der Bäume.
Es hatte ihn krank gemacht, ihr die Schulter wieder einzurenken. Eine Welle der Übelkeit war förmlich über ihn hinweggespült. Er wusste, dass er es tun musste, dass es keine andere Möglichkeit gab. Aber der Anblick ihres Gesichts, so blass und beherrscht dort unter der Kiefer und dann der schmale Faden Blut, der an der Seite ihres Mundes herabrann, wo sie sich in die Lippe gebissen hatte, weil sie nicht schreien wollte ... Natürlich hatte Hanoch sie darin unterwiesen, nie zu schreien ...
In diesem Moment vor ein paar Tagen hasste Marcus sich. Er hatte es gehasst, ihr Schmerzen zuzufügen, und zwar um sich selbst und seine Leute zu retten. Als es vorbei war, musste er von ihr fort, bevor er sich blamierte, auf die Knie fiel und um ihre Vergebung bettelte.
Da war diese Feigheit in ihm. Wie es jenen Mönchen und Priestern in Damaskus gefallen hätte, das herauszufinden. Denn das war es gewesen, wonach sie die ganze Zeit gesucht hatten. Gottlob hatte er Avalon damals noch nicht gekannt. Er wäre daran zerbrochen.
»Sie wird sich wieder erholen«, sagte Balthazar, der sich ihm von hinten näherte, während der Wind seine Gewänder wie bunte Fahnen flattern ließ. Es hatte ihn wenig erschüttert, als Marcus ihm von Avalons Rippen berichtete. Bal hatte die Salbe hergestellt und verkündet, dass es keinen Grund gäbe, sich aufzuregen – gebrochene Rippen würden leicht heilen. Marcus wusste das. Er hatte sich in den letzten siebzehn Jahren die Rippen ein halbes Dutzend Mal gebrochen, aber wie schlimm es dagegen bei Avalon ausgesehen hatte!
»Ihr Stolz gibt ihr viel Kraft«, fuhr Bal fort. Er stand jetzt neben ihm auf dem Turm und gestattete sich ein leises Lächeln.
Marcus stieß ein kurzes Lachen aus. »Sie ist sich selbst ihr schlimmster Feind. In der Tat hätte sie innerlich verbluten können.«
»Das stimmt«, gab Bal zu. »Doch auch wenn man es vorher gewusst hätte, hätte es doch nichts am Ausgang geändert. Hätte sie innere Blutungen gehabt, wäre sie ohnehin gestorben.« Er stieß einen Pfiff aus. Es war die perfekte Nachahmung eines Lerchenrufes, dann nickte er. »Sie gleicht keiner anderen Frau.«
»Und wird mich noch umbringen«, prophezeite Marcus düster.
Balthazar lachte von Herzen. Es war eines der wenigen Male, die Marcus je erlebt hatte. »O nein, Kincardine, falsch! Sie wird dich nicht umbringen – nur mäßigen. Ja, genau wie es ein starkes Feuer mit Eisen macht.« Er zuckte die Schultern. »Das ist etwas Gutes.«
»Nicht für denjenigen im Feuer«, brummelte Marcus.
Bal klopfte ihm auf die Schultern. »Du wirst es überleben.«
Eine Schafherde zierte den Hügelhang westlich von
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