Sueße Prophezeiung
die Stille des Raumes hinein.
»Eine andere Gunst?«, wiederholte sie. Ihre Stimme klang dünn und fern, als seien ihr die Worte ein Rätsel.
»Ich werde sie Euch gewähren, wenn ich kann.« Er stellte sich zu ihr vor das Feuer und stand einen Augenblick lang unbeholfen herum. Dann gab er es auf und hockte sich auf östliche Weise hin, was viel bequemer für ihn war. Sie hob die Augen und warf ihm einen violetten Blick zu. Dann senkte sie den Kopf wieder.
»Ich wüsste nicht, welche«, murmelte sie.
Er auch nicht.
»Einen Edelstein«, schlug er vor. »Eine Perle. Eine Zofe, die Ihr gern habt und die hierher kommen soll.«
Sie gab ein ersticktes Lachen von sich, als ob seine Vorschläge ihr zu viel Schmerz bereiten würden. »Ich brauche keine Edelsteine oder Perlen. Und es gibt keine Zofe, die ich besonders gern habe.«
»Wer war das Mädchen bei Euch neulich in der Schänke? Damals im Dorf? Was ist mit ihr?«
Ihre Hände lagen verschlungen in ihrem Schoß. Diesmal hob sie den Kopf und warf ihm einen vollen Blick zu. »Das Mädchen ist glücklich, wo sie ist, Mylord. Ich würde sie nicht dort wegholen.«
»Sie nannte Euch Rosalind.« Bei der Erinnerung daran lächelte Marcus. »Der Name passte nicht zu Euch.«
»Weil sie Angst hatte. Ich werfe es ihr nicht vor. In jener Nacht hat sie viel für mich riskiert.«
»Was denn?«
Avalon presste die Lippen aufeinander. Sie schien etwas sagen zu wollen, doch dann änderte sie ihre Meinung. »Sie brachte mich zu einer Frau, die sich um eine Freundin von mir gekümmert hatte.«
»Was hat sie dabei riskiert?«
»Das ist doch klar, Mylord«, sprach sie. »Schon allein nur für einen Moment aus der Burg zu verschwinden, war Risiko genug. Mein Cousin hätte einen Wutanfall bekommen, wenn er uns auf die Schliche gekommen wäre. Er hatte andere Pläne mit mir, wie Ihr sehr wohl wisst.«
»Ja, ich weiß.« Marcus betrachtete eingehend ihr Gesicht. Er musste die Frage stellen, die ihn die ganze Zeit verfolgte. »Sagt mir, Avalon: Hättet Ihr Warner d’Farouche freiwillig geheiratet?«
Wieder dieses leise Lachen! »Dazu wäre es nie gekommen, dessen versichere ich Euch.«
»Aber hättet Ihr?«
»Nein, natürlich nicht«, stieß sie verächtlich hervor, und Marcus spürte die Kraft ihrer Überzeugung. »Er ist nichts weiter als irgend so ein Dummkopf, ein Vasall seines Bruders. Vor jener Nacht war ich ihm noch nie begegnet.«
Befriedigung breitete sich in ihm aus. Er konnte nichts dagegen tun, konnte es nicht aufhalten, und er versuchte auch gar nicht zu verstehen, was das bedeutete. Sie war nicht Teil jenes Komplotts gewesen, hätte nicht Warner ihm vorgezogen.
»Ich werde niemals heiraten«, erklärte sie jetzt mit völlig normaler Stimme, als ob sie feststellte, dass ein Rad rund sei.
»Das könnte sich als schwierig erweisen«, meinte er. »Denn es gibt über eintausend Menschen und eine Familienweissagung, die darauf bestehen, dass Ihr es tut.«
»Ich weiß nicht, wie Ihr das bewerkstelligen wollt, Mylord.« Aus ihren Augen sprach Erheiterung. »Ihr könnt eine Braut nicht zwingen, wenn sie nicht will.«
Er änderte seine Haltung, lehnte sich mit aufgestützten Händen nach vorn und näherte sich ihrem Gesicht in einer einzigen fließenden Bewegung. Ihre Augen weiteten sich und sie zuckte zurück.
»Ich glaube schon, dass Ihr wollt«, murmelte er.
Heiße Röte stieg ihr in die Wangen. »Tue ich nicht!«
»Oh, doch!« Er ließ seinen Blick auf ihren tief rosafarbenen, erotisch geschwungenen Lippen ruhen. »Ich weiß, was Ihr spürt, Avalon. Ich weiß, was heute mit Euch geschehen ist, als Ihr meinen Kuss erwidert habt. Ich weiß« – er kam noch näher, ohne sie jedoch zu berühren –, »was Ihr wollt. Weil ich es auch will!«
Ihr Atem beschleunigte sich, ihre Augen nahmen in der Nachmittagssonne die gleiche Farbe wie ihre Amethyste an. Er neigte sich noch weiter vor, sodass seine Lippen über ihren schwebten und beide die gleiche Luft einatmeten.
»Es ist unausweichlich.«
Sie lehnte sich zurück und brachte einen größeren Abstand zwischen sie.
»Heirat hat damit nichts zu tun«, beharrte sie.
Er hob eine Braue.
»War ein Irrtum«, sprach sie schnell weiter. »Es bedeutet nichts. Das bildet nicht die Grundlage für eine Ehe.«
»Ah!« Mit einer fließenden Bewegung kam er wieder auf die Füße und erhob sich. Er ging zu einem kleinen Tisch. »Ich werde mit meiner Herrin nicht diskutieren. Lassen wir es für den Moment dabei. Es hat nichts mit
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