Sueße Prophezeiung
Himmel zu flüchten.
»Solltet Ihr Euch nicht in Eurem Glück sonnen?«, erwiderte Avalon und nahm dann einen Bissen vom Käse.
»Geht einfach davon aus, dass ich das schon getan habe!«
Durch die Disteln stapfte er auf sie zu, wobei er vorsichtig den Stacheln des Krauts auswich. »Ich habe eine interessante Methode entdeckt, Euch ausfindig zu machen, Avalon. Erst überlege ich mir, welches wohl der verlassenste Ort ist, und da seid Ihr dann.«
»Wie bequem für Euch«, meinte sie matt.
»Ja, tatsächlich. Es ist ein großer Trost für mich zu wissen, wo Ihr Euch versteckt.«
Er suchte sich einen Brocken wie ihren aus, der auch einfach von oben heruntergefallen war und jetzt vom Gras eingerahmt wurde. Dadurch saß er ihr gegenüber, und ein rechteckiges Fenster lag genau zu seiner Linken. Es rahmte die bunten Hügel und einen sich durch das Tal schlängelnden Fluss ein, der in einen kleinen runden Hochlandsee mündete.
Sie versuchte weiterzuessen, indem sie ihn nicht weiter beachtete; aber er machte das völlig unmöglich, obwohl er sich ruhig verhielt. Er verfolgte jede ihrer Bewegungen mit seinen scharfen Winteraugen, saß da und grübelte. Wieder hatte sie das Gefühl, als taste er ihr Herz, ihre innersten Gedanken ab.
»Gibt es etwas, was Ihr von mir wollt, Mylord?«, fragte Avalon endlich nachgiebig und packte ihr Essen beiseite.
Die Veränderung in ihm kam schnell und deutlich. Seine Augen verdunkelten sich, und um seine Lippen zuckte es.
»Oh, sicher«, erwiderte er.
Es bestand kein Zweifel, was er meinte. Sie musste nach unten ins Gras schauen, um ihre Reaktion, die heiße Röte in ihren Wangen, den Drang, sich in seine Arme zu werfen, zu verbergen.
»Ich frage mich, was Ihr jetzt mit all den Kleidern machen wollt, Avalon?« In seiner Stimme schwang immer noch der sinnliche Unterton mit. »Wollt Ihr sie statt des Tartans tragen?«
Darüber hatte sie noch nicht nachgedacht. Als sie den Gesandten gesagt hatte, dass sie auch einmal etwas anderes als diese Wolldecke tragen wolle, waren das nur Worte für sie gewesen. Ein wenig Koketterie, um sie dazu zu bringen, dass man ihr die Truhen schickte. Aber jetzt erkannte Avalon, dass die Ankunft ihrer Kleider auch als Ablehnung der Kincardines angesehen werden könnte. Und das wollte sie auf keinen Fall.
Lächerlich, schimpfte eine innere Stimme. Lass dir von niemandem sagen, wie du dich anziehen sollst! Du bist doch keine Magd!
Doch dann hörte sie sich selbst sagen: »Nehmt die Sachen.
Verkauft sie. Man wird ein hübsches Sümmchen dafür bekommen.«
Bei ihren Worten hob er eine Braue und lehnte sich auf dem Stein zurück, während er ein Knie mit beiden Händen umfasste. »So sehr mir die Vorstellung auch gefällt, dass sie verschwinden, so würde ich doch niemals Eure Kleider verkaufen.«
Avalon presste die Lippen zusammen, entschlossen, die Zweideutigkeit seiner Worte zu ignorieren. »Warum nicht? Ich habe noch andere.«
»Alles in allem sieht es nicht so aus, als müsste ich das tun. Ihr habt genug Rubine und Perlen gestiftet.«
Sie zuckte die Schultern, während sie hinaus auf den Fluss und den silberschwarzen See spähte.
»War das der Grund, weshalb Ihr Euch die Truhen habt herkommen lassen?«
»Natürlich«, fuhr sie ihn an. »Ich konnte Bryce ja wohl kaum darum bitten, mir meine Juwelen zu schicken, weil ich sie verschenken wollte.«
Schweigend dachte er darüber nach, während er sie weiter unverwandt anschaute. Nach einer Weile empfand sie das als entnervend, also stand sie auf und strich sich die Krümel vom Schoß. Dann ging sie um die Steine herum an ihm vorbei zum Fenster mit dem Ausblick. Von hinten ertönte Marcus’ Stimme.
»Jetzt muss ich also darüber nachdenken, was meine Braut als Nächstes tun wird. Ihr denkt, Ihr habt den Clan gerettet, nicht wahr? Ihr dachtet, mit diesen Juwelen könntet Ihr Eure Verpflichtungen gegenüber Sauveur tilgen – und gehen.«
Mehr oder weniger hatte sie das gedacht, und jetzt fragte sie sich, warum es sich jetzt nicht so wunderbar anfühlte, wie es eigentlich sollte. Und wer war er überhaupt, dass er ihre Anstrengungen herabsetzte? Warum entlarvte er mit diesem leicht spöttischen Ton ihre Hintergedanken, wenn sie doch in erster Linie nur ihm und seinen Leuten helfen wollte?
»Die bevorstehende kalte Jahreszeit wird jetzt nicht so hart sein, das könnt Ihr nicht leugnen«, erklärte sie. »Im Frühling werdet Ihr neues Saatgut und neues Vieh haben. Mir ist nicht klar, wofür Ihr mich
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