Sueße Prophezeiung
zwanzig Jahre lang in Frankreich gelebt«, ergänzte Marcus abwesend.
»Ihr seht mein Problem«, bestätigte Avalon.
»Hanoch hat nie auch nur einen von diesen Pikten fassen können, obwohl er, wenn überhaupt jemand, die Möglichkeiten dazu hatte. Er behauptete sogar, es versucht zu haben.«
»Nun, offensichtlich hat er doch jemanden zu fassen gekriegt. Diesen MacFarland. Das war genug.«
»Die MacFarlands leben südöstlich von hier. Innerhalb von drei Tagen könnte einer von meinen Männern dort sein.«
»Es lohnt sich nicht«, winkte Avalon ab. »Wahrscheinlich ist er auch tot.«
Marcus wandte den Blick von ihr ab. Er schaute in das tiefe, ruhige Gewässer vor ihnen und dann zur rauschenden Strömung weiter draußen.
»Mag sein«, äußerte er.
Avalons Angel hüpfte nach vorn. Sie musste aufspringen und nach ihrem Gerät greifen, als diese ins Wasser zu rutschen drohte.
»Sieht so aus, als hätten Eure Federn unser Abendessen gefangen«, meinte Marcus.
11
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Natürlich ließ Marcus umgehend Erkundigungen bei den MacFarlands einziehen. Obwohl Avalon von Keith MacFarlands Tod überzeugt war – und sein Instinkt sagte ihm, dass sie Recht hatte –, konnte er die Vermutung nicht auf sich beruhen lassen. Er wollte eine Gewissheit.
Sie schien nichts gegen seine Eigenmächtigkeit zu haben; das war zweifellos ein Zugeständnis von ihr. Als eine echte Kriegerin vermochte sie durchaus, ihre eigenen Pläne in die Tat umzusetzen. Doch aus irgendeinem Grunde ließ sie jetzt eine größere Nähe zu und teilte Informationen mit ihm, die für die persönlichste Tat eines Kriegers – die Rache – wichtig waren. Nicht, weil sie es musste, sondern aus freiem Entschluss.
Noch ein Zugeständnis, nahm Marcus an. Zumindest wollte er es als ein solches auffassen. Jetzt sollte er alles in seiner Macht Stehende unternehmen, um dafür zu sorgen, dass sie nicht loszog und sich von ihren Cousins ermorden ließ.
Seine niedereren Instinkte rieten ihm, sie wieder einzusperren, sie in dem sicheren Raum zu verstecken, den er zu ihrem Schutz ausgewählt hatte. Sie dabei zu beobachten, wie sie unbeschwert und stolz die Forellen, die sie diesen Morgen gefangen hatten, zurücktrug und sich ohne Umstände in ihr Zimmer zurückzog, verlangte ihm viel Verzicht ab. Er hatte seinen Studiersaal aufsuchen und sich lange Minuten mit nebensächlichen Dingen beschäftigen müssen, um den unbändigen Wunsch loszuwerden, sie zu ihrem eigenen Besten einzusperren – damit sie die Sicherheit von Sauveur nicht verlassen konnte.
Schließlich war er dieses Drangs Herr geworden und hatte eine Gruppe von Männern zusammengestellt, die sich die MacFarlands vorknöpfen sollten. Unabsichtlich hatte Avalon ihm möglicherweise den Schlüssel zu ihrem eigenen Schicksal geliefert: Wenn er beweisen konnte, dass einer der d’Farouches hinter dem Überfall auf Trayleigh gesteckt hatte, wäre Warners Anspruch dahin. Marcus hätte gewonnen.
Und Avalon würde unwiderruflich die Seine werden.
Nie würde sie den Weg in ein Kloster finden. Soweit es Marcus betraf, konnte es keinen anderen Ausgang bei diesem Spiel geben. Sie musste ihn heiraten.
Er wusste, dass ihr Entschluss zu gehen, bereits ins Wanken geraten war. Es bestand ein Riss in ihren Verteidigungsanlagen und den hatte er seither unablässig vergrößert. Sie kümmerte sich um den Clan, stand mit Sauveur im Einklang. Sie gehörte so eindeutig hierher wie alle anderen Mitbewohner.
Und ob sie es bereits wusste oder nicht – sie gehörte zu ihm. Mit der Zeit würde auch sie das erkennen. Deshalb ließ er Geduld walten. Zumindest im Moment.
Sollte sie doch durch die Hallen der Burg wandern! Sollte sie sich doch mit jedem unterhalten. Wenn sie sich erst einmal auf all das hier eingelassen hatte, würde es ihr nie mehr gelingen, sich wieder vom Clan zu lösen – oder von Marcus. Die Würfel waren gefallen.
Jetzt gerade wanderte sie über ihm umher und schritt an den Außenmauern der Burg entlang. Er wusste es, obwohl niemand zu ihm gekommen war, um es ihm zu melden. Weil das, was er ihr über seine Fähigkeit, sie aufzuspüren, gesagt hatte – Gott möge ihm beistehen –, der Wahrheit entsprach. Mit seinen Gedanken konnte er ihr folgen; deshalb erlaubte er ihr, sich weiter frei zu bewegen. Marcus war stets im Bilde über ihren jeweiligen Aufenthaltsort.
Avalon hielt ihr Gesicht in den Wind. Er kam aus Süden, wehte ihr Haar nach hinten und kühlte ihre Stirn. Der Tag neigte sich; aber sie hatte noch
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