Süße Rache: Roman (German Edition)
Hilflos schweigend saß sie da und weigerte sich, ihn anzusehen.
»Ich schätze, mit dem ›nichts bedeuten‹ liegst du falsch«, erklärte er beißend.
27
Einst hätte sie das widerwillige Eingeständnis, dass er etwas für sie empfand, in Ekstase versetzt, aber stattdessen dachte sie nur: Warum jetzt? Warum war er ausgerechnet jetzt aufgetaucht, nachdem sie sich endlich entschieden und sich ein Ziel gesetzt hatte? Weder ihr Entschluss, noch ihre Ziele ließen sich mit einem Mann in ihrem Leben vereinbaren, schon gar nicht mit diesem Mann, außerdem wusste sie gar nicht, ob er das überhaupt gemeint hatte. Er hatte nur eine Erklärung abgegeben, und das in mehr als einer Hinsicht. In seinem Leben gab es keinen Platz für eine Frau, jedenfalls nicht längerfristig, falls sie selbst je wieder Zeit und Raum für eine Beziehung fand, falls sie die nächsten Wochen lebend überstand, würde sie sich auf nichts einlassen, was nicht längerfristig angelegt war.
Sie war inzwischen seit Monaten ohne Mann ausgekommen,
und ihr gefiel das Alleinsein, durch das sie allmählich wieder ein Selbstwertgefühl entwickelt hatte. Sie war keine Geliebte mehr, kein schmückendes Statussymbol und keine Begleiterin; sie gehörte sich ganz allein. Die Zeiten, in denen sie ohne zu zögern mit Simon gegangen wäre – an diesen Namen musste sie sich noch gewöhnen -, waren vorbei. Zwischen ihnen lagen der Tod und die Wiederauferstehung und damit das Wissen, dass sie zwar immer noch dieselbe Person war wie zuvor, aber eine völlig neue Weltsicht entwickelt hatte. Ja, sie wollte Glück und Sicherheit, aber aus eigener Kraft, nicht weil er oder ein anderer Mann ihr beides gab.
Plötzlich begriff sie, dass er dabei gewesen war, als sie gestorben war, das Wissen durchzuckte sie so unvermittelt, dass ihr Kopf hochfuhr und sie ihn anstarrte. Sie erinnerte sich, dass sie ihn gesehen hatte und dass seine sonst so beherrschte Miene ausnahmsweise unkontrollierte Gefühle gezeigt hatte … aber welche? Sie bekam es nicht mehr zu fassen. Er hatte etwas gesagt, aber die Erinnerung daran ging unter in der viel umfassenderen Erinnerung an das reine, weiße Licht, außerdem war es sowieso nicht wichtig. Wichtig war, dass er genau wusste, was ihr widerfahren war. Er wusste, dass sie gestorben war. Er hatte ihre Sachen mitgenommen und sie selbst liegen gelassen – warum also war er zurückgekommen? Wie hatte er auch nur auf den Gedanken kommen können, dass sie nach dem, was er gesehen hatte, überlebt haben könnte?
»Ich bin gestorben«, erklärte sie tonlos.
Seine Brauen hoben sich ein wenig, als würde ihn der plötzliche Themenwechsel überraschen. »Ich weiß.«
»Wieso hast du dann noch einmal nach mir gesucht? Die meisten Toten werden beerdigt und damit Schluss. Eigentlich
hättest du nie erfahren dürfen, dass ich noch am Leben bin.«
»Ich hatte meine Gründe.«
Gründe, die er ihr nicht verraten würde, das war damit klar. Aufgebracht schob sie die Hände unter ihre Haare, strich sie aus dem Gesicht und massierte sie, als könnte sie durch den Druck auf ihre Kopfhaut ihre Gedanken ordnen. Seine leicht zusammengekniffenen Augen verrieten ihr, dass er das Thema fallen lassen und auf sich beruhen lassen wollte, aber das konnte sie nicht.
»Du hast gewusst, dass ich tot bin. Eindeutig tot. Du machst keine solchen Fehler. Willst du eigentlich gar nicht wissen, wieso ich hier sitze? Ich weiß, dass ich nur zu gern wissen würde, wieso du hier sitzt, wenn du mich nicht umbringen willst, denn ich kaufe dir nicht ab, dass ich dir ganz plötzlich ans Herz gewachsen bin. Einmal war genug, weißt du noch?«
»Ich bin kein Beziehungsmensch«, erwiderte er vollkommen ungerührt. »Damals war einmal genug. Das heißt nicht, dass ich dich nicht attraktiv gefunden hätte. Ich war stundenlang hart, erinnerst du dich?«
O ja, und wie sie sich erinnerte, an jedes Detail, an jede Empfindung, und jedes Mal so intensiv, als würde sie den Moment von Neuem durchleben. Sie spürte, wie ihr Gesicht zu glühen begann. »Damals ging es nur um Sex. Das hat nichts mit dem zu tun, worüber ich spreche.«
»Meistens nicht«, bestätigte er und schenkte ihr dabei wieder eines seiner kleinen Beinahelächeln, das bei jedem anderen Menschen ein lautes Lachen gewesen wäre.
Ihr Gesicht wurde noch wärmer. Es ärgerte sie, dass er sie mit Sex abzulenken versuchte, während sie etwas herausfinden wollte, deshalb schlug sie mit einem lauten Knall die Hand auf die
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