Süße Rache: Roman (German Edition)
Tischplatte. »Bleib beim Thema.
Warum hast du nach mir gesucht? Was hat dich dazu getrieben?«
»Ich habe im Internet die Zeitungen durchforstet, weil ich wissen wollte, ob man dich identifiziert hatte. Stattdessen musste ich lesen, dass du überlebt hattest.«
»Wieso wolltest du wissen, ob man mich identifiziert hatte?«
»Ich war neugierig.«
Diese Antwort war eindeutig unbefriedigend, falls sie etwas Herzerwärmendes erwartet hatte. Sie durfte nie, nie vergessen, dass er auf einer anderen Ebene agierte als der Rest der Menschheit. »Aber Rafael hast du das nicht erzählt.«
»Warum sollte ich? Du hast überlebt, er wird das nie erfahren und Schluss.«
»Warum hast du dir die Mühe gemacht, mich aufzuspüren? Du hast die Krankenhausrechnung bezahlt, damit hast du mehr als genug getan. Warum bist du danach nicht fröhlich weitergezogen und hast mich in Ruhe weiterleben lassen?« Sie feuerte die Frage auf ihn ab, denn sie war fest entschlossen, eine Antwort zu bekommen, selbst wenn sie die aus ihm herauspressen musste, obwohl das mit Sicherheit ein ziemliches Schauspiel geben würde.
»Ich habe ab und zu nach dir gesehen, um mich zu überzeugen, dass es dir gut geht. Wenn du mich heute Abend nicht bemerkt hättest, säße ich jetzt nicht hier, aber du hast mich gesehen, also musste ich dir klarmachen, dass du nicht zu fliehen brauchst.«
»Was interessiert es dich, ob es mir gut geht oder nicht? Es geht mir wunderbar, ich habe – hatte – einen Job, ich habe Geld. Du hättest das einmal überprüfen können und es dann gut sein lassen.« Sie sollte es gut sein lassen, statt immer weiter auf dem Thema herumzureiten,
aber das konnte sie nicht. Oberflächlich beantwortete er all ihre Fragen, aber sie hatte das beklemmende Gefühl, dass mehr hinter seiner Suche gesteckt hatte. Er war nicht irgendwer; er war ein Mann, der nur sich selbst Rechenschaft ablegte, der außerhalb des Gesetzes lebte und der sich nicht von normalen menschlichen Emotionen leiten ließ. Vielleicht hatte er sie aus genau dem Grund im Auge behalten, den er vorgab, aber vielleicht gab es noch einen zweiten Grund, vor dem sie sich in Acht nehmen musste.
Er antwortete ihr nicht sofort, sondern beobachtete sie in tiefem Schweigen und unter schweren Lidern hervor. Dann fing er ihren Blick ein, und sie wäre um ein Haar aufgesprungen, so tief traf sie das Glühen in seinen Augen. »Ich habe gesehen, wie du gestorben bist«, sagte er leise. »Ich konnte dich nicht mehr retten, ich konnte dir nicht mehr helfen. Du warst so schwer verletzt, dass ich dir nicht einmal erklären konnte, wie leid mir alles tat, dass ich all das nicht gewollt hatte. Aber dann sah ich dein Gesicht, ich sah deine Miene, als dein Blick an mir vorbei ging und … etwas erfasste, das offenbar das Schönste war, das du bis dahin gesehen hattest. Du hast noch ›Engel‹ geflüstert, dann warst du tot.«
»Ich kann mich an dein Gesicht erinnern«, murmelte sie. »Und an das Licht dahinter.«
»Ich bin eine Weile neben dir sitzen geblieben. Ich habe dir über die Wange gestrichen. Du hattest keinen Puls, du hast nicht mehr geatmet, deine Haut wurde schon kalt. Also rief ich den Notarzt und wartete ab, bis ich die Sirenen hörte, dann fuhr ich weg. Wir reden hier nicht von ein paar Minuten, Drea -«
»Andie«, murmelte sie. »Ich bin nicht mehr Drea.«
»Du warst mindestens eine halbe Stunde weg, und du hast nicht in Eiswasser gelegen, wo dein Stoffwechsel
verlangsamt gewesen und dein Gehirn mit dem nötigsten Sauerstoff versorgt worden wäre. Die Notärzte können dich unmöglich wiederbelebt haben, sie haben es nicht einmal versucht. Du hast von selbst wieder angefangen zu atmen, fast eine verdammte Stunde nachdem du gestorben warst«, betonte er grimmig. »Du hast keinen Gehirnschaden davongetragen. Gar keinen. Nicht mal die kleinste Beeinträchtigung. Also muss ich ab jetzt an Wunder glauben, weil du ein lebendes, atmendes, gehendes, stehendes Wunder bist, und das bedeutet, dass da draußen nach diesem Leben noch etwas auf uns wartet, oder nicht?«
Ein leuchtendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Ja«, sagte sie schlicht.
»Dann gewöhn dich dran, Süße, dass dieses Wunder ab sofort einen persönlichen Leibwächter hat.«
Sie blieb am Küchentisch sitzen, nachdem er gegangen war. Sie hatten sich noch etwas unterhalten, als er sie überzeugt zu haben meinte, dass sie nie wieder Angst vor ihm zu haben brauchte, war er gegangen. Ehrlich gesagt
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