Süße Rache: Roman (German Edition)
sie begann zu zittern. Das Zittern begann an ihren Knien und breitete sich so rasend schnell durch ihren ganzen Körper aus, dass sogar ihre inneren Organe zu beben und zu bibbern schienen. Ihre Zähne klackerten wie Murmeln, die über einen gepflasterten Weg kullern. Er ließ weiter Wasser über seinen Arm laufen, ohne sie anzusehen, obwohl er mit Sicherheit ihr rasendes Zähneklappern hören musste. Der Schock ließ sie so frieren, dass sie die Arme um den Leib schlang und die Zähne zusammenpresste, um das Zittern zu unterdrücken und das Klappern zum Verstummen zu bringen. »Bra-brauchst du wirklich eine Tetanusspritze?«, presste sie schließlich mit Piepsstimme heraus. Es war ihr rätselhaft, warum sie von allen dämlichen Fragen, die sie stellen konnte, ausgerechnet die allerdämlichste stellen musste.
»Nein«, erwiderte er knapp. »Ich bin geimpft.«
Sie starrte ihn wieder an und ertrank zum dritten Mal
in Konfusion. Das ergab alles keinen Sinn; entweder sie stand unter Schock, oder sie war in einem Alternativuniversum gelandet. Sie tippte auf das Alternativuniversum, denn dass er hier in ihrer Küche stand, war absolut ausgeschlossen. Sobald er in ihrer Nähe war, begann die Realität zu verschwimmen; seine Präsenz war so intensiv, dass er ihre gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog, so wie ein Magnet Stahlspäne anzieht, während alles andere blass und verzerrt wirkte.
»Ge-geimpft?« Sie hörte sich an wie ein stotternder Idiot, aber sie bibberte immer noch, und sie brauchte ihre gesamte Kraft, um das Zähneklappern zu unterdrücken.
»Für meine Auslandsreisen.«
Sie kam sich ausgesprochen blöde vor, denn natürlich wusste sie, dass er viele seiner »Aufträge« im Ausland erledigte, und jeder halbwegs kluge Kopf ließ sich impfen, bevor er in ein Land der Dritten Welt reiste. Dann kam sie sich blöde vor, weil sie sich auf nebensächliche Dinge wie seine Impfauffrischungen konzentrierte, aber die Realität hatte sich abrupt so drastisch verschoben, dass es ihre Aufnahmefähigkeit überstieg und sie nur noch Kleinigkeiten verarbeiten konnte.
Ihr Blick huschte über ihn, umriss seine Größe und die breiten, muskelbepackten Schultern. Die kurzen Ärmel seines dunkelgrünen Polohemdes entblößten die sehnig kraftvollen Arme, aber auch ohne dass sie die Muskeln sah, wusste sie, wie stark er war. Er war ein korrekt, elegant gekleideter Mann, der das Hemd in der Hose stecken und den dünnen schwarzen Gürtel straff um die schlanke Taille gezogen hatte. Die schwarze Hose hatte eine scharfe Bügelfalte, die schwarzen Schuhe mit den weichen Sohlen waren blank geputzt und sauber, obwohl er vorhin im Regen gestanden hatte. Beinahe hungrig starrte sie auf
sein dichtes dunkles Haar, das immer noch kurz geschnitten war, und auf den dunklen Stoppelschatten an seinem Kinn; sie speicherte jedes Detail und spürte, wie schmerzhaft und erleichternd es war, ihre Erinnerungen aufzufrischen.
Sie erinnerte sich genau an den Duft seiner Haut, fast als hätte sie ihn jeden Tag gerochen, als würde sie jeden Morgen beim Aufwachen seinen dunklen Schopf auf dem Kissen neben ihrem liegen sehen. Sie erinnerte sich auch an den vollen Klang seiner tiefen, leicht rauchigen Stimme. Sie erinnerte sich daran, wie er schmeckte, wie er küsste, wie weich seine Lippen waren, wie lang, fest und hart sein Penis war. Ihr war klar, dass er ihr immer noch mehr Angst einjagte als jeder andere, dem sie je begegnet war – dabei kannte sie nicht einmal seinen Namen, weil er ihr den nicht verraten wollte, und sie würde lieber zur Hölle fahren, als ihn noch einmal danach zu fragen, obwohl ihr der Schmerz, ihn nicht zu kennen, fast die Kehle abschnürte. Genau daher rührte mindestens zur Hälfte ihre Angst, denn sie hatte vom ersten Moment an gespürt, dass er nicht nur ein eiskalter Todesengel war, sondern aus irgendeinem idiotischen Grund auch ihr Herz brechen konnte.
Sie musste ihn fragen. Auch wenn sie wusste, dass sie sich damit nur neue Schmerzen einhandelte, musste sie ihr Glück noch einmal versuchen, denn falls er ihr auch diesmal nichts verriet, wüsste sie, dass sie dieses dumme Sehnen unterdrücken musste. Vielleicht war sie nicht in der Lage, ihre Gefühle zu unterdrücken, aber sie konnte die hoffnungsvollen Erwartungen unterdrücken, die sie dazu verleiteten, ihn anzustarren wie ein Teenager einen Popstar.
»Ich weiß nicht, wer du bist«, flüsterte sie kaum hörbar und mit gebrochener Stimme.
Er sah sie kurz an, riss
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