Süße Rache: Roman (German Edition)
zusammen und ein knappes schwarzes Hemd und steckte beides mit in die Tasche. Schwarz war die Farbe, mit der man in New York am wenigsten auffiel, weil so viele Menschen es trugen, sogar im Sommer. Eine weitere Tasche, kleiner und schlichter, landete ebenfalls in der Ledertasche.
Das war alles. Was sie sonst noch brauchte, würde sie zu gegebener Zeit kaufen. Sie war zufrieden, weil jeder, der einen Blick in ihr Zimmer warf, annehmen musste, dass sie nur einkaufen gegangen war und bald zurückkommen würde. Weil Rafael wusste, wie sehr sie ihre Kleider und Schminksachen liebte, würde er bestimmt nicht glauben, dass sie all das freiwillig zurückgelassen hatte, und das würde ihr kostbare Zeit schenken – hoffte sie. Sie musste
unbemerkt verschwinden; wenn die Babysitter sie sahen und sie aufzuhalten versuchten, hätte sie keine Schonfrist mehr.
Sie ging auf und ab. Sie sah auf die Uhr. Nach einer Weile trieb der Hunger sie aus ihrem Zimmer in die Küche. Rafael hatte keinen Koch, weil er niemandem außerhalb seines Netzwerkes traute, und Gauner entwickelten im Allgemeinen keine großen kulinarischen Fähigkeiten, aber er ließ sich oft Essen liefern, sodass immer etwas im Haus war.
Sie zwang sich, langsam zu gehen, als hätte sie kaum Energie. Die beiden Männer, die im Wohnraum saßen, drehten sich um. Zu ihrer Erleichterung war Orlando Dumas nicht dabei. Die beiden hießen Armando und Hector, falls man ihr je die Nachnamen verraten hatte, so hatte Drea sie gleich wieder vergessen. Die beiden waren in Ordnung, sie waren guter Durchschnitt: nicht die Schlausten, nicht die Dümmsten. Cool. Damit konnte sie umgehen.
»Geht es schon besser?«, fragte Hector.
»Halbwegs.« Sie hatte vergessen, zwischendurch zu husten, aber ihre Stimme klang immer noch ein bisschen rau. »Ich mache mir eine Suppe zum Mittagessen warm. Wollt ihr auch was?« Sie bezweifelte es, weil sie Gläser und Teller auf dem Couchtisch stehen sah, was darauf schließen ließ, dass die beiden schon gegessen hatten, außerdem steckte Armandos Hand in einer riesigen Tüte Tortillachips.
»Nein, wir haben schon gegessen. Trotzdem vielen Dank.«
Hector hatte für einen Gangster ganz passable Manieren.
Drea ging in die Küche, schob eine Schüssel Suppe in
die Mikrowelle und aß sie im Stehen an der Küchentheke. Ihr Herz legte einen Gang zu; sie spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte, fühlte die Aufregung durch ihre Adern rasen. Wieder sah sie auf die Uhr: vierzehn Uhr.
Showtime.
7
Nachdem Drea die Schlafzimmertür verriegelt hatte, holte sie ihren Laptop heraus und ging ins Netz. Sie hatte alles sorgfältig recherchiert, nicht weil sie schon immer geplant hätte, Rafaels Bankkonto zu plündern und dann durchzubrennen, sondern eher »für alle Fälle«.
Wenn Rafael sie anständig behandelt hätte, hätte sie sich damit begnügt, den Status Quo beizubehalten, solange er sie an seiner Seite haben wollte, und anschließend mitsamt ihrem Schmuck zu verschwinden. Diese Entwicklung hatte sie erwartet, und folglich hatte sie ihre Rolle darauf angelegt, ihn von ihrer Harmlosigkeit zu überzeugen, damit er sich keine Gedanken machte, ob sie vielleicht etwas sah oder hörte, das sie nichts anging.
Aber was wäre gewesen, wenn Rafael getötet worden wäre? So was konnte jemandem wie ihm leicht passieren. Dann wäre es doch unsinnig gewesen, das ganze Geld auf der Bank zu lassen, wo es eingefroren blieb, bis die Bundesbehörden auf der Bildfläche erschienen und alles einsackten.
Darum hatte sie für die Zukunft vorgesorgt – ihre Zukunft.
Sie hatte wirklich keine Ahnung, wo oder wie Rafael die Bücher für jene immensen Summen führte, die nicht gewaschen worden waren. Sie hatte das nicht einmal herauszufinden versucht, denn so eine Nummer war angesichts des damit zusammenhängenden Risikos eindeutig zu groß für sie. Aber bei dem Bankkonto, das Rafael für seinen persönlichen Bedarf unterhielt, sowie bei dem zweiten Konto, von dem aus er Geld auf ihr Konto überwies, lag die Sache anders.
Das Penthouse war über ein Kabelnetzwerk ans Internet angeschlossen; Orlando hatte Rafael geraten, keinen drahtlosen Router zu kaufen, weil der es einfacher machte, Daten abzufangen. Die IP-Adresse von Dreas Laptop unterschied sich von der in Rafaels Laptop, aber vom Router aus erschien beim Empfänger der Daten immer dieselbe Adresse, was zur Folge hatte, dass für die Bank der Zugang über die korrekte IP-Adresse erfolgte, selbst wenn sie von ihrem
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