Süße Rache: Roman (German Edition)
Laptop aus auf Rafaels Konto zugriff.
Um Rafaels Passwort auszuspionieren, hatte sie ihn monatelang beobachtet, ab und zu einen Blick erhascht und genau verfolgt, wie sich seine Finger bewegten, um die Tastenkombination nachvollziehen zu können. Wenn er regelmäßig das Passwort geändert hätte, wäre sie niemals in der Lage gewesen, es zu knacken, aber das war ihm wie den meisten Menschen zu mühsam. Sein Passwort war auch nicht besonders phantasievoll: Es war seine Handynummer. Er besaß zwei Handys, ein verschlüsseltes, das Orlando ihm besorgt hatte, und ein zweites für seine Privatgespräche. Die Nummer des verschlüsselten Handys kannte Drea nicht, aber auf seinem anderen hatte sie ihn oft genug angerufen. Nachdem sie die ersten drei Ziffern ausspioniert hatte, hatte sie sich denken können, wie sein Passwort lautete.
Sie ging auf die Website der Bank, loggte sich als Rafael ein und hielt den Atem an, bis der Kontostand auf dem Bildschirm erschien. Erst ging sie in sein Kontoprofil und änderte die angegebene E-Mail-Adresse, damit alle Benachrichtigungen fortan auf ihrem E-Mail-Konto und nicht mehr auf seinem landeten. Aufgrund ihrer langen Beobachtungen wusste sie, dass die Bank eine E-Mail schickte, wenn hohe Beträge bewegt wurden, und sie wollte nicht, dass Rafael diese E-Mail heute schon bekam.
Wie lange es dauern würde, bis er – oder eher Orlando – auf die Idee kam, ihr E-Mail-Konto zu überprüfen, stand in den Sternen. Wenn Rafael begriff, dass sie abgehauen war, würde er als Erstes ihr Zimmer durchsuchen. Nachdem er bestimmt nicht damit rechnete, dass sie ihre Kleider zurückließ, würde er seine Männer nach ihr suchen lassen, weil er sich Sorgen machen würde, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte. Leider hieß das, dass sie auch den Laptop zurücklassen musste, denn wenn der nicht mehr da war, würde ihm das sofort auffallen. Es war ihr egal; sie hatte nichts gespeichert, was sie später brauchen würde, nicht einmal Fotos.
Außerdem sollte Rafael wissen, was sie getan hatte – natürlich erst, nachdem sie reichlich Zeit zum Untertauchen gehabt hatte. Er sollte wissen, dass sie ihn bezahlen ließ. Dass sie sein Bankkonto geräumt hatte, würde er vielleicht erst begreifen, wenn der erste Scheck platzte, was Tage dauern konnte. Natürlich war das der Idealfall, aber hin und wieder meinte es das Schicksal gut mit ihr. Darauf verlassen würde sie sich allerdings nicht; sie würde so schnell wie möglich so weit wie möglich fliehen. Sie müsste ihren Namen ändern und eine gewisse Summe für eine neue Identität ausgeben, die wenigstens einer oberflächlichen Überprüfung standhielt, aber sich neu zu erfinden
war ihr ein Leichtes, und der Gedanke störte sie nicht.
Nachdem sie das Problem mit der E-Mail gelöst hatte, kehrte sie zum Kontostand zurück und warf zum ersten Mal einen Blick auf die Abschlusszeile. Wilde Freude stieg in ihr auf. Zwei Millionen, einhundertachtundachtzigtausend vierhundertdreiunddreißig Dollar und zwei Cent. Die zwei Cent konnte sie ihm lassen, dachte sie, denn sie würde nur runde Beträge überweisen.
Vielleicht wäre es schlau, nur die zwei Millionen zu nehmen und ihm die hundertachtundachtzigtausend zu lassen. Auf diese Weise würden seine Schecks erst später platzen, und sie hielte möglicherweise ein besseres Blatt in der Hand. Andererseits waren hunderttausend Dollar hunderttausend Dollar, wie er selbst richtig bemerkt hatte. Das war der Judaslohn, für den er sie verkauft hatte, also war sie offenbar hunderttausend wert. Warum sollte sie die nicht nehmen?
Zwei Millionen einhunderttausend Dollar. Das klang doch gar nicht übel. Sie tippte ihre Kontonummer ein, arbeitete sich durch die folgenden Webseiten und war einen Tastendruck später Multimillionärin. Sie wartete eine Minute, ging dann auf ihre eigene Kontoseite und blickte bewundernd auf die hübsche Summe. Für den Fall, dass Rafael irgendwie entdeckte, was sie getan hatte, und den Betrag einfach auf sein Konto zurücküberweisen wollte, änderte sie das Passwort. Jetzt kam er nicht mehr an das Geld, denn was die Bank betraf, hatte er es ihr überlassen, sie konnte nach Belieben damit verfahren.
Der nächste Schritt: Das ganze schöne Geld auf eine andere Bank überweisen. Aber nicht gleich; dazu war es zu früh. Eine E-Mail, die ihn automatisch über die Überweisung informierte, war eines, aber auf gar keinen Fall wollte
sie einen persönlichen Anruf der Bank bei ihm riskieren. Sie
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