Süße Rache: Roman (German Edition)
Seidenhose und ein dazu passendes Top und streifte dann ein taillenfreies Seidensakko in knalligem Pink über. Sie war so auffällig, so unübersehbar, dass Armando sie nicht wiedererkennen würde, nachdem sie sich umgezogen hatte, selbst wenn sie direkt an ihm vorbeispazierte. Er würde nach der rosa Jacke und ihrer blonden Lockenpracht Ausschau halten.
Nachdem sie die Henkel ihrer Ledertasche über die Schulter gehängt hatte, sah sie sich ein letztes Mal in ihrem Zimmer um und nahm Abschied von Drea Rousseau. Die Rolle hatte ihr gute Dienste geleistet, aber das Stück war seit heute abgesetzt.
»Bye, Hector«, sagte sie, als sie aus ihrem Zimmer kam und zur Tür ging. »Bis später.«
Er winkte ihr zum Abschied zu, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden. Drea trat aus der Wohnung und
in den Aufzug. Sie war allein. Als sie den Abwärtsknopf drückte und die Kabine in Bewegung kam, fühlte sie sich losgelöst und erleichtert, so als hätte sie all ihre Ketten abgeworfen. Bald, flüsterte ihr Unterbewusstsein. Bald – schon in wenigen Minuten – wäre sie frei. Wäre sie wieder sie selbst. Noch ein paar Minuten, in denen sie Armando etwas vorspielen musste, dann würde sie die Tür zu diesem Abschnitt ihres Lebens schließen.
Als sie in der Lobby aus dem Aufzug trat, schenkte sie dem Portier wie üblich ein freundliches, hohlköpfiges Lächeln. Armando lenkte den Wagen an den Gehweg, während sie aus dem Haus trat. Er wirkte ein bisschen überrascht, dass sie so schnell erschien, sprang aber sofort aus dem Wagen, um ihr die Tür zum Fond des schwarzen Lincoln Town Car zu öffnen. Diese Limousinen gab es zu Tausenden in New York; jeder Limousinenservice hatte sie. Rafael hatte sich den Lincoln ausgesucht, weil er unter den anderen Limousinen nicht auffiel und es dadurch leichter war, einen Verfolger abzuhängen.
Als Drea in den Wagen steigen wollte, glaubte sie kurz den Killer zu sehen, ihr Herz und Blut vereisten in panischem Schrecken. Ihre Füße verweigerten ihr so schlagartig den Dienst, dass sie ins Straucheln kam und um ein Haar hingefallen wäre. Armando hielt sie am Arm fest. »Alles okay?«
Ihr Blick zuckte herum und versuchte zu erfassen, was sie so erschreckt hatte, was die Erinnerung ausgelöst hatte. Er war nicht da. Sie hatte ihn nicht gesehen. Armeen von Menschen eilten auf dem Bürgersteig auf und ab, aber er war nicht darunter. Sie sah niemanden, der sich so geschmeidig bewegte wie er, der wie er den Kopf hielt. Sie schloss die Augen, holte tief Luft und versuchte, ihren jagenden Puls zu beruhigen.
Einen winzigen Moment stützte sie sich auf Armandos Arm. »Ich glaube, ich habe mir den Fuß vertreten.« Sie schaffte es, ein wenig hilflos zu klingen. »Entschuldigung.«
»Ist er verstaucht?«
»Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht schlimm.« Ängstlich ließ sie den rechten Fuß kreisen. »Es geht schon.« Bevor sie sich in den Wagen sinken ließ, sah sie sich noch einmal verstohlen um. Nichts. Es waren viele dunkelhaarige Männer unterwegs, aber keiner sah aus wie er. Ein kurzer Blick auf irgendwas, irgendwen, hatte sie an ihn erinnert, das war alles. Er war nicht hier. Das hätte sie bestimmt gespürt.
Drea riss ihre Gedanken von dem Killer los. Sie durfte sich nicht ablenken lassen, sonst würde sie am Ende noch einen Fehler machen, und jeder Fehler konnte ihren Tod bedeuten. Sie musste sich konzentrieren, und sie durfte nicht zögern.
Bis Armando vor der Bücherei anhielt, hatte sie sich wieder gefangen. »Ich denke, ich bin in ungefähr einer Stunde fertig«, sagte sie unverbindlich, als er ihr aus dem Wagen half.
»Keine Eile. Ein Anruf und ich bin da.«
Sie konnte ihm an seiner resignierten Stimme anhören, dass er mit deutlich mehr als einer Stunde rechnete. Die Drea, die er kannte, die sie alle kannten, besaß keinerlei Zeitgefühl und kam grundsätzlich zu spät. Wenn sie versicherte: »Das dauert nur ein paar Minuten«, brauchte sie mindestens eine Stunde, ganz gleich, was sie vorhatte.
»Wie kann ich dich erreichen?«, fragte sie. »Ich glaube, ich habe einen Stift …« Sie ließ den Satz in der Luft hängen und begann in ihrer Tasche zu wühlen.
»Gib mir das Handy«, sagte er, während die ersten aufgebrachten Autofahrer zu hupen begannen.
Sie zog den BlackBerry aus der kleinen Seitentasche und reichte ihn Armando. Er hatte eine Engelsgeduld; ohne zu seufzen oder das Gesicht zu verziehen, speicherte er seine Nummer in das Gerät ein. »Du weißt doch, wie du dein
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