Süße Rache: Roman (German Edition)
Adressbuch benutzt?«, fragte er zur Sicherheit.
»Rafael hat es mir gezeigt«, nickte sie und verdrehte innerlich die Augen.
Das Hupkonzert steigerte sich zum Furioso. »Lass dir Zeit«, sagte Armando und setzte sich wieder hinters Steuer. Trotz der ungeduldigen Fahrer beobachtete er, wie sie die Stufen zum Eingang hochstieg. Sie humpelte ein wenig, gerade stark genug, dass es ihm auffiel. Ein Detail fügte sich zum anderen. Jetzt würde er nicht nur nach ihrer pinkfarbenen Jacke, sondern auch nach dem verräterischen leichten Humpeln Ausschau halten.
Sobald sie im Gebäude war, bog sie auf die Damentoilette ab. Dort schloss sie sich in eine Kabine ein, zog sich schnell um und packte die abgelegten Sachen in die Ledertasche, um sie später loszuwerden. Sie wechselte auch die Brieftaschen und holte ihren Führerschein sowie das gesamte Bargeld aus dem Gucci-Portemonnaie, das Rafael ihr geschenkt hatte, um es in die schlichte Börse zu stopfen, die sie bei Macy’s gekauft hatte. Die Kreditkarten blieben in der alten Brieftasche. Zum einen wäre es Selbstmord, die Karten weiter einzusetzen, zum anderen war es möglich, dass ein nicht allzu ehrlicher Finder mit einer der Karten aus der Geldbörse einkaufen ging und damit ihre Fährte ahnungslos verwischte.
Allerdings konnte sie die Brieftasche nicht einfach liegen lassen; das war zu einfach, zu offensichtlich. Drea stopfte sie in die Tasche zurück, drückte die Spülung, als hätte sie die Toilette benutzt, und trat aus der Kabine.
Zwei Frauen standen an den Waschbecken. Drea ließ
sich Zeit, wusch sich die Hände, trug noch einmal Lippenstift auf und machte sich so lange zurecht, bis beide gegangen waren. Dann machte sie sich hastig die Hände nass und begann ihre Haare anzufeuchten, die durch das Wasser dunkler und weniger lockig wirkten. Als ihr Haar nass genug war, kämmte sie es streng nach hinten und drehte es zu einem kleinen Knoten, den sie provisorisch mit einem Bleistift sicherte. Der Knoten brauchte nicht lange zu halten, Hauptsache, er hielt lang genug.
Eines noch. Sie befeuchtete ein Papiertuch und wischte sich die Schminke so weit wie möglich aus dem Gesicht. Anschließend marschierte sie ohne das leiseste Humpeln aus der Toilette wie eine ganz gewöhnliche, viel beschäftigte, konzentrierte New Yorkerin in Eile. Niemand beachtete sie.
Sie trat aus dem Ausgang. Gleichzeitig zog sie die Designer-Brieftasche aus ihrer Ledertasche, presste sie an ihre Seite und blieb an einem Abfalleimer stehen. So unauffällig wie möglich ließ sie die Brieftasche fallen und schob sie dann mit der Fußspitze hinter den Eimer, wo sie kaum noch zu sehen war. Irgendjemand würde sie finden, und zwar schon bald. Ein ehrlicher Mensch würde sie in der Bücherei abgeben; ein unehrlicher würde die Kreditkarten herausnehmen und einen Einkaufsbummel starten. Beides kam ihr gelegen, auch wenn das zweite Szenario Rafael mehr Ärger machen würde.
Schnell eilte sie ein paar Blocks entlang, dann hielt sie ein Taxi an und nannte dem Fahrer ihr Ziel. Der direkte Weg wäre schneller gewesen, aber auch leichter nachzuvollziehen. Nachdem sie ausgestiegen war, ging sie wieder ein paar Blocks und nahm dann das nächste Taxi. Erst mit dem dritten Taxi erreichte sie ihr wahres Ziel in Elizabeth, New Jersey.
Die Zeit wurde allmählich knapp, die Nachmittagssonne stand schon tief. Drea ging in die Bank und bat um Zugang zu ihrem Schließfach. Sie unterschrieb, holte den Schlüssel aus ihrer Tasche und wurde dann von einer schlanken, jungen Afroamerikanerin in den kleinen Raum geführt, der vom Boden bis zur Decke mit Schließfächern gepflastert war.
Dreas Schließfach war klein und lag dicht über dem Boden. Sie musste in die Hocke gehen, um den Schlüssel einführen zu können. Die junge Bankangestellte schob den Schlüssel der Bank ein und drehte beide herum, um das Schloss zu öffnen. Drea dankte ihr murmelnd, und die junge Frau ließ sie lächelnd allein.
Sie brauchte nur ein paar Sekunden, um ihr Fach leer zu räumen. Sie nahm ihre Kleidung aus der Ledertasche, zog dann den Samtbeutel mit ihrem Schmuck aus dem Schließfach und ließ ihn in die Tasche fallen. Im Fach lag jetzt nur noch der braune Umschlag, der die Zugangsdaten für ihre Konten enthielt. Auch der wanderte in Dreas Tasche. Dann stopfte sie die abgelegten Kleider in ihr Schließfach, schloss wieder ab und ließ den Schlüssel in ihre Tasche fallen.
Sie verließ die Bank, ohne nach links oder rechts zu blicken,
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